Dysautonomie / POTS
Es beginnt oft harmlos. Ein Schwindel beim Aufstehen, ein Herz, das plötzlich rast, ein Moment, in dem der Körper nicht so reagiert, wie man es sein Leben lang gewohnt war. Viele winken es zunächst ab, ordnen es Stress zu, Erschöpfung, einem schlechten Tag. Doch mit der Zeit wird spürbar, dass hier etwas Grundlegendes nicht mehr zuverlässig funktioniert. Nicht die Muskeln, nicht der Wille, nicht die Motivation – sondern das unsichtbare System, das normalerweise still im Hintergrund arbeitet und den Alltag trägt: das autonome Nervensystem.
Mit Dysautonomie und insbesondere mit POTS zu leben bedeutet, in einem Körper zu leben, der aufrecht sein will, aber beim Aufstehen protestiert. Ein Körper, der Bewegung kennt, sie aber nicht mehr selbstverständlich freigibt. Herzrasen, Benommenheit, Schwäche, Zittern, Luftnot, Konzentrationsstörungen und eine tiefe Erschöpfung treten nicht als Ausnahme auf, sondern als wiederkehrende Begleiter. Oft sind sie unberechenbar, wechseln in ihrer Intensität und entziehen sich einfachen Erklärungen. Was gestern noch ging, kann heute unmöglich sein – ohne klaren Grund, ohne Vorwarnung.
Besonders belastend ist, dass diese Erkrankung von außen kaum sichtbar ist. Wer mit Dysautonomie oder POTS lebt, wirkt oft gesund, stabil, funktionierend. Die eigentliche Anstrengung bleibt verborgen: das ständige Abwägen, ob Aufstehen möglich ist, das bewusste Gehen, das Festhalten an Möbeln oder Geländern, das stille Hoffen, dass der Kreislauf diesmal nicht wegkippt. Es ist ein Leben mit permanenter Selbstbeobachtung, mit einem Körper, der nicht mehr automatisch reguliert, sondern Aufmerksamkeit fordert – bei jedem Schritt, bei jeder Belastung.
Hinzu kommt die Nähe zu anderen komplexen Erkrankungen. Viele Betroffene leben zusätzlich mit ME/CFS, Fibromyalgie oder anderen chronischen Zuständen. Die Symptome überlappen sich, verstärken sich gegenseitig und machen klare Abgrenzungen schwierig. Nicht selten beginnt eine lange Phase der Unsicherheit, der Fehlzuordnungen und der Zweifel – auch an sich selbst. Umso wichtiger ist es, Dysautonomie und POTS nicht als Randphänomen zu betrachten, sondern als ernstzunehmende Störung, die das gesamte Leben beeinflussen kann.
Störungen des autonomen Nervensystems können Kreislaufprobleme, Herzrasen, Schwindel, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen und eine ausgeprägte Belastungsintoleranz auslösen. Besonders POTS ist bei ME/CFS-Betroffenen häufig.
Viele Symptome überschneiden sich so stark, dass eine gezielte Kreislaufdiagnostik oft der Moment ist, in dem das Unsichtbare endlich sichtbar wird.
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- Geschrieben von: Mazin Shanyoor, Visite-Medizin






