Probiotische Produkte wie Kijimea – insbesondere jene mit dem Stamm Bifidobacterium bifidum MIMBb75 (bzw. hitzeinaktiviert HI-MIMBb75) – werden vielfach als hochwirksam bei Darmproblemen beworben und zielen damit auf eine attraktive, aber zugleich oft verzweifelte Patientengruppe mit Reizdarm ab. Wissenschaftlich belegbare Effekte werden dabei häufig idealisiert, während Werbebotschaften wie das Bild eines „Pflasters auf der Darmbarriere“ eher suggestiv als fundiert wirken. In diesem Text werden die Studienlage, der biologische Hintergrund und die Marketingstrategien kritisch beleuchtet – mit dem Fazit, dass Kijimea vor allem ein lukratives Geschäft mit Menschen macht, die unter Reizdarm-Symptomen leiden.
Was die Studien wirklich zeigen
Die wissenschaftliche Basis für Kijimea IBS (mit dem Stamm Bifidobacterium bifidum MIMBb75) stützt sich auf wenige, aber methodisch saubere Untersuchungen. Häufig zitiert wird die Studie von Guglielmetti et al. (2011). In dieser randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Untersuchung mit 122 Teilnehmenden zeigte sich eine signifikante Symptomlinderung: In der Verumgruppe berichtete knapp die Hälfte eine ausreichende Besserung, in der Placebogruppe waren es 11 Prozentpunkte. Das deutet auf einen echten, über den Placeboeffekt hinausgehenden Nutzen hin, allerdings nicht bei allen Betroffenen.
Später wurde auch eine hitzeinaktivierte Variante desselben Stamms geprüft. In der großen multizentrischen Doppelblindstudie von Andresen et al. (2020) mit 443 Betroffenen profitierten 34 Prozentpunkte in der Verumgruppe, während 19 Prozentpunkte in der Placebogruppe eine vergleichbare Besserung angaben. Das entspricht mageren 15 Prozentpunkte Vorteil gegenüber dem Placebo. Übersetzt in absolute Zahlen: Bei rund halbierter Gruppengröße (etwa 221 Personen pro Studienarm) sind das circa 33 zusätzliche Personen, die unter Verum eine relevante Besserung verspürten. Diese Ergebnisse sind solide und klinisch nicht zu unterschätzen – sie sind aber auch nicht so spektakulär, wie es manche Werbeaussagen nahelegen. Insgesamt handelt es sich um eine moderate Verbesserung, die nicht bei allen wirkt.
Oder, um es anders auszudrücken: Magere 15 Prozentpunkte besser als nichts – und dann so ein Marktgeschrei!
Was bedeutet „Verum“?
Verum (lateinisch „das Wahre“) bezeichnet in klinischen Studien die aktiv wirksame Behandlung, also das Prüfpräparat im Interventions- bzw. Aktivarm. Ihm gegenüber steht das Placebo (Scheinpräparat) im Kontrollarm. Durch diesen Aufbau lässt sich prüfen, ob beobachtete Verbesserungen über den Placeboeffekt hinaus tatsächlich dem Wirkstoff zugeschrieben werden können. In den Kijimea-Studien war das Verum das Produkt mit dem aktiven Stamm (B. bifidum MIMBb75 – lebend bzw. hitzeinaktiviert), während die Placebogruppe ein inertes Präparat ohne Wirkstoff erhielt.
Die „Pflaster“-Metapher – ein Marketingbild ohne biologische Basis
Kijimea ist bekannt für die Metapher, die Bakterien würden sich „wie ein Pflaster“ auf die Darmbarriere legen und diese reparieren. Rechtlich ist diese Formulierung zulässig, weil sie als bildhafte Sprache gilt. Biologisch ist sie irreführend: Laborbefunde zeigen zwar, dass MIMBb75 sich vergleichsweise stark an Darmzellen anheften kann; daraus folgt jedoch nicht, dass sich im menschlichen Darm eine zusammenhängende, schützende Schicht bildet – wie es ein Pflaster tun würde. Der Effekt ist mikroskopisch, komplex und in seiner Relevanz für die Barrierefunktion nicht als mechanische „Abdichtung“ belegt. Das Bild dient primär der anschaulichen Vermarktung, nicht der präzisen wissenschaftlichen Erklärung.
Zwischen Wirksamkeit, Übertreibung und dem Placebo-Effekt
Der Stamm B. bifidum HI-MIMBb75 sticht in der Literatur hervor – allerdings weniger wegen einer überragenden biologischen Wirksamkeit, sondern vor allem, weil der Hersteller erhebliche finanzielle Mittel in Forschung und Vermarktung investiert hat. Dadurch existieren für diesen Stamm mehr und methodisch sauberere Studien als für viele andere probiotische Bakterienstämme. Das ist wissenschaftlich wertvoll, darf aber nicht mit einem objektiven Qualitätsvorsprung verwechselt werden. Andere Probiotika – darunter Stämme, die regulär in probiotischen Joghurts oder fermentierten Lebensmitteln vorkommen – sind häufig schlicht weniger untersucht, nicht zwingend weniger wirksam.
Die belegten Effekte sind begrenzt: In der großen RCT berichteten 34 Prozentpunkte der Verumgruppe von einer Besserung, 19 Prozent in der Placebogruppe. Das heißt: Nur 15 Prozentpunkte der Betroffenen hatten tatsächlich einen Vorteil gegenüber der Einnahme von nichts. Das ist weit entfernt von einem spektakulären Ergebnis – dennoch verwandelt das Marketing diese kleine Differenz in eine große Erfolgsstory. Mit lauten, wiederholten Botschaften („Hilfe bei Darmproblemen“) wird zudem bewusst ein Placebo-Effekt stimuliert: Erwartungen können Symptome subjektiv bessern. Wenn das hilft, ist es für Betroffene willkommen – bleibt aber ein eher armseliger Ansatz, wenn er als Beleg für eine überlegene medizinische Wirkung verkauft wird.
Der Preis der Hoffnung
Mit rund ein bis zwei Euro pro Tag liegt Kijimea deutlich über dem Preis vieler anderer Probiotika. Für Menschen, die jahrelang unter Reizdarm leiden und zahlreiche erfolglose Behandlungen hinter sich haben, ist dieser Preis oft zweitrangig – Hauptsache, es gibt Aussicht auf Besserung. Genau hier setzt das Branding an: Speziell benannter Stamm, eingängige Bildsprache und Premium-Preis erzeugen den Eindruck besonderer Exklusivität. In der Realität ist der Unterschied zu anderen Probiotika – sowohl in der Zusammensetzung als auch im Effekt – weniger eindeutig, als die Werbung suggeriert.
Fazit – Geschäft mit einer verletzlichen Zielgruppe
Kijimea verbindet eine begrenzt, aber nachweisbar wirksame probiotische Zutat mit einer sehr durchdachten Marketingstrategie. Die Zielgruppe: Menschen mit chronischen, frustrierenden Symptomen, die verständlicherweise bereit sind, vieles auszuprobieren. Während die Forschung zeigt, dass B. bifidum HI-MIMBb75 manchen Betroffenen helfen kann, wird die Wirkung in Werbebotschaften überhöht und in eine vereinfachte, emotional aufgeladene Geschichte verpackt. Am Ende bleibt der Eindruck, dass hier weniger der medizinische Fortschritt als vielmehr ein lukratives Geschäftsmodell im Vordergrund steht – auf dem Rücken einer besonders verletzlichen Patientengruppe.
Quellen (Harvard-Stil)
- Guglielmetti, S., Mora, D., Gschwender, M. & Popp, K. (2011) Randomised clinical trial: Bifidobacterium bifidum MIMBb75 significantly alleviates irritable bowel syndrome and improves quality of life – a double-blind, placebo-controlled study. Alimentary Pharmacology & Therapeutics, 33(10), 1123–1132. doi:10.1111/j.1365-2036.2011.04633.x
- Andresen, V., Gschossmann, J., Layer, P. et al. (2020) Heat-inactivated Bifidobacterium bifidum MIMBb75 in the treatment of irritable bowel syndrome: a multicentre, randomized, double-blind, placebo-controlled clinical trial. The Lancet Gastroenterology & Hepatology, 5(7), 658–666. doi:10.1016/S2468-1253(20)30056-X
- Kindt, S. et al. (2022) Belgian IBS consensus – recommendations for diagnosis and treatment. Acta Gastro-Enterologica Belgica, 85(2), 279–290.
- Gesund-Heilfasten.de (2024) Kijimea – Was ist das? Verfügbar unter: https://www.gesund-heilfasten.de/blog/kijimea-was-ist-das/ (Zugriff: 13.08.2025).






