Humira (Adalimumab) ist ein häufig eingesetztes Medikament zur Behandlung von chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und rheumatoider Arthritis. Durch seine entzündungshemmende Wirkung kann es die Lebensqualität vieler Menschen erheblich verbessern. Doch wie bei vielen Medikamenten gibt es auch hier Bedenken hinsichtlich möglicher Langzeitrisiken. Eine zentrale Frage dabei ist: Kann Humira das Risiko für Krebserkrankungen erhöhen? In diesem Artikel beleuchten wir die aktuelle Forschung und Studienlage zu diesem Thema, insbesondere im Hinblick auf das Risiko für Lymphome, Hautkrebs und andere solide Tumoren.
Was zeigt die Forschung?
Lymphome
Studien legen nahe, dass es ein leicht erhöhtes Risiko für das Auftreten von Lymphomen (Krebs des lymphatischen Systems) bei der Einnahme von Humira und anderen TNF-Alpha-Inhibitoren gibt. Lymphome sind seltene Krebserkrankungen, die die Lymphknoten und das Immunsystem betreffen. Die beiden häufigsten Formen sind das Hodgkin-Lymphom und das Non-Hodgkin-Lymphom.
- Die Inzidenzrate (Häufigkeit des Auftretens) von Lymphomen in der Allgemeinbevölkerung liegt bei etwa 2 bis 5 Fällen pro 100.000 Personen pro Jahr.
- Bei Patienten, die TNF-Alpha-Inhibitoren wie Humira einnehmen, steigt dieses Risiko um den Faktor 2 bis 3, was bedeutet, dass etwa 4 bis 15 Fälle pro 100.000 Personen pro Jahr auftreten können.
- Ein Beispiel ist eine große Studie aus den USA, die 2016 veröffentlicht wurde. Diese Studie ergab, dass bei Patienten mit rheumatoider Arthritis unter TNF-Alpha-Inhibitoren wie Humira die Häufigkeit von Lymphomen auf etwa 6 bis 9 Fälle pro 10.000 Personenjahre anstieg, im Vergleich zu etwa 3 bis 5 Fällen pro 10.000 Personenjahre bei nicht behandelten Patienten.
Es ist wichtig zu betonen, dass die zugrunde liegende Erkrankung, wie zum Beispiel rheumatoide Arthritis oder Morbus Crohn, ebenfalls ein gewisses Basisrisiko für Lymphome mit sich bringen kann. Das bedeutet, dass nicht nur das Medikament, sondern auch die chronische Entzündung selbst das Risiko beeinflusst. Die Forscher diskutieren daher weiterhin, inwieweit das erhöhte Risiko direkt auf Humira zurückzuführen ist oder auf die Schwere der behandelten Erkrankung.
Hautkrebs
Ein erhöhtes Risiko besteht auch für nicht-melanozytären Hautkrebs, wie Basalzellkarzinome und Plattenepithelkarzinome. Diese Arten von Hautkrebs sind insgesamt häufiger, aber in den meisten Fällen weniger aggressiv als Melanome.
- Studien zeigen, dass bei Patienten, die mit TNF-Alpha-Inhibitoren wie Humira behandelt werden, das Risiko für nicht-melanozytären Hautkrebs etwa 30% bis 50% höher ist als bei der Allgemeinbevölkerung.
- Konkret wurde in einer dänischen Studie von 2018 festgestellt, dass das Risiko für Plattenepithelkarzinome bei Patienten mit rheumatoider Arthritis, die TNF-Alpha-Inhibitoren verwenden, auf 21,5 Fälle pro 10.000 Personenjahre ansteigt, verglichen mit 14,2 Fällen pro 10.000 Personenjahre bei Patienten, die keine TNF-Alpha-Inhibitoren einnehmen.
Diese Risiken verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Haut regelmäßig zu kontrollieren. Besonders Patienten, die Humira über längere Zeit einnehmen, sollten auf Veränderungen der Haut achten, wie neue Wucherungen, Hautverfärbungen oder Stellen, die nicht abheilen. Der behandelnde Arzt kann regelmäßige Hautscreenings empfehlen, um Hautkrebs frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Sonstige Krebserkrankungen
Bei anderen Krebserkrankungen, wie soliden Tumoren (z. B. Brustkrebs, Lungenkrebs), gibt es derzeit keine überzeugenden Hinweise darauf, dass das Krebsrisiko durch Humira signifikant erhöht ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Risiko ausgeschlossen werden kann – vielmehr ist die Datenlage in diesem Bereich komplex und oft widersprüchlich.
- Eine umfassende Metaanalyse von Studien, die 2017 im „Journal of the American Medical Association (JAMA)“ veröffentlicht wurde, kam zu dem Schluss, dass bei der Behandlung mit TNF-Alpha-Inhibitoren kein klar erhöhtes Risiko für die Entwicklung von soliden Tumoren nachgewiesen werden konnte. Die untersuchten Krebsarten umfassten dabei Lungen-, Brust- und Darmkrebs.
- Es gibt jedoch vereinzelte Studien, die auf eine leicht erhöhte Inzidenz bestimmter Krebsarten hinweisen, beispielsweise bei Patienten mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), die TNF-Alpha-Inhibitoren einnehmen und ein höheres Grundrisiko für Lungenkrebs haben könnten.
Insgesamt bleibt das Risiko für solide Tumore weniger ausgeprägt als das für Lymphome oder Hautkrebs, und die Forschung ist sich einig, dass die Entscheidung zur Therapie mit Humira stets auf einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung beruhen sollte.
Bedeutung für Patienten: Nutzen-Risiko-Abwägung
Die potenziellen Risiken einer Humira-Therapie müssen stets im Kontext der zugrunde liegenden Erkrankung und des möglichen therapeutischen Nutzens betrachtet werden. Humira kann bei vielen Menschen, die an schwerwiegenden, chronischen Entzündungserkrankungen leiden, zu einer deutlichen Besserung der Lebensqualität führen und dabei helfen, die Krankheitsschübe zu kontrollieren.
Ärzte und Patienten sollten das Risiko einer möglichen Krebserkrankung immer gemeinsam abwägen und eine engmaschige Überwachung in den Behandlungsplan integrieren. Dazu gehören regelmäßige Hautuntersuchungen, Bluttests zur Überprüfung von Entzündungswerten und gegebenenfalls weitere Vorsorgeuntersuchungen. Diese Maßnahmen helfen, eventuelle Risiken frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Auch wenn ein geringes Risiko besteht, ist Humira für viele Patienten eine wertvolle Behandlungsoption, die es ihnen ermöglicht, ihre chronische Erkrankung in den Griff zu bekommen und ein aktiveres, symptomfreieres Leben zu führen. Die Entscheidung für oder gegen eine Behandlung mit Humira sollte jedoch immer individuell und in enger Abstimmung mit dem behandelnden Arzt getroffen werden.