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Die Leber ist das stille Kraftwerk des Körpers. Wenn sie sich meldet, ist es oft ernst. Genau deshalb stehen pflanzliche Präparate mit Schöllkraut (Chelidonium majus) – darunter Iberogast Classic – seit Jahren unter besonderer Beobachtung: Es gibt Berichte über arzneimittelinduzierte Leberschäden bis hin zum Leberversagen.

Kurz zur Einordnung des Präparats

Iberogast Classic ist ein apothekenpflichtiges, pflanzliches Arzneimittel (Phytotherapeutikum) mit neun Extrakten; dazu zählt auch Schöllkraut. Laut Fachinformation gelten u. a. folgende Punkte: zugelassen ab 3 Jahren, Tropfenform, Schwangerschaft/Stillzeit: nicht einnehmen. Wichtige Warnung: Fälle arzneimittelbedingter Leberschädigung bis hin zum Leberversagen wurden berichtet. Häufigkeit: „nicht bekannt“ (nicht abschätzbar).

Mann (35–40) mit Magenschmerzen vor weißem Hintergrund; rechts der Schriftzug »Nebenwirkungen von Iberogast«.
Nebenwirkungen von Iberogast – nicht zu unterschätzen: Bei anhaltenden Beschwerden oder Hinweisen auf Leberprobleme (z. B. Übelkeit, dunkler Urin, Gelbfärbung) ärztlich abklären lassen.

Nebenwirkungen im Überblick

  • Allgemein: Sehr selten Überempfindlichkeitsreaktionen (z. B. Exanthem, Pruritus, Dyspnoe).
  • Leber/Galle: Meldungen über Leberwertanstiege, medikamentös-toxische Hepatitis, Ikterus sowie Leberversagen. Offiziell wird vor Warnzeichen wie Gelbfärbung der Haut/Skleren, dunklem Urin, entfärbtem Stuhl und Schmerzen im rechten Oberbauch gewarnt; in diesem Fall sofort absetzen und ärztlich abklären lassen.

Leberprobleme: Wie ist die Datenlage?

Die möglichen Auswirkungen von Iberogast auf die Leber stehen seit vielen Jahren im Zentrum der Diskussion. Der Grund dafür ist der enthaltene Schöllkraut-Extrakt (Chelidonium majus). Verschiedene klinische Fallberichte und wissenschaftliche Analysen haben gezeigt, dass Schöllkraut in seltenen Fällen schwere Leberschäden hervorrufen kann. Besonders beunruhigend ist, dass diese Schäden nicht vorhersehbar sind: Sie treten unabhängig von der Dosis auf und betreffen nur bestimmte, besonders empfindliche Menschen. Mediziner sprechen in diesem Zusammenhang von idiosynkratischen Reaktionen. Das bedeutet, dass die Reaktion individuell durch genetische oder immunologische Faktoren bestimmt wird und nicht mit einer Überdosierung oder toxischen Belastung zu erklären ist.

Regulatorische Bewertung

Im Jahr 2018 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nach einer erneuten Bewertung angeordnet, dass in der Fachinformation und in der Packungsbeilage von Iberogast deutliche Warnhinweise zu möglichen Leberschäden aufgenommen werden müssen. Diese Entscheidung fiel nicht leichtfertig, sondern auf Grundlage von mehreren neuen Verdachtsmeldungen. Besonders ein Fall erregte große Aufmerksamkeit: Ein Patient entwickelte ein akutes Leberversagen, das so schwer war, dass eine Lebertransplantation notwendig wurde. Trotz dieser Maßnahme verstarb der Betroffene. Die Analyse der Krankengeschichte ergab, dass ein Zusammenhang mit der Einnahme von Iberogast als wahrscheinlich eingestuft werden musste. Für die Behörde war dieser Fall Anlass, den Schutz der Patienten durch verpflichtende Warnhinweise zu verstärken.

Fachgremien

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hatte bereits vor der Entscheidung des BfArM auf die Risiken hingewiesen. In ihren Stellungnahmen wurde wiederholt betont, dass potenziell lebensbedrohliche Leberschäden unter der Einnahme schöllkrauthaltiger Präparate auftreten können. Auch wenn es sich um seltene Ereignisse handelt, ist das Risiko aufgrund der Schwere der möglichen Folgen nicht zu unterschätzen. Fachärztliche Gremien bewerteten es daher als zwingend notwendig, die Warnhinweise für Ärzte und Patienten klar und unmissverständlich auszugestalten. Mit der Umsetzung durch das BfArM wurde dieser Forderung entsprochen, was von der Ärzteschaft ausdrücklich begrüßt wurde.

Schöllkraut in der wissenschaftlichen Literatur

In der internationalen medizinischen Literatur sind zahlreiche Fälle von DILI (drug-induced liver injury) in Verbindung mit Schöllkraut dokumentiert. Typischerweise zeigten die Betroffenen ein hepatzelluläres Schadensmuster. Das bedeutet, dass vor allem die Leberzellen direkt betroffen waren. Laborwerte wie ALT (Alanin-Aminotransferase) und AST (Aspartat-Aminotransferase) stiegen deutlich an, teilweise auf das Mehrfache des Normwerts. In vielen Fällen normalisierten sich die Werte nach dem Absetzen des Präparats wieder, was den ursächlichen Zusammenhang stützt. Es gibt allerdings auch Berichte über besonders schwere Verläufe, die bis hin zum Leberversagen führten und damit eine lebensbedrohliche Situation darstellten. Wissenschaftler weisen darauf hin, dass solche idiosynkratischen Reaktionen nicht vorhersehbar sind und selbst bei ansonsten gesunden Menschen auftreten können.

Bewertung der Häufigkeit

Die Frage, wie häufig solche Nebenwirkungen tatsächlich auftreten, bleibt schwierig zu beantworten. Die verfügbaren Daten stammen aus sogenannten Spontanmeldungen von Ärzten und Patienten. Dieses Meldesystem ist ein wichtiges Instrument zur Arzneimittelsicherheit, bildet jedoch nie das gesamte Bild ab. Viele Fälle werden möglicherweise gar nicht erkannt oder gemeldet. Aus diesem Grund wird die Häufigkeit offiziell mit „nicht bekannt“ angegeben. Das bedeutet nicht, dass das Risiko unbedeutend wäre, sondern dass es statistisch nicht verlässlich quantifiziert werden kann. Gerade weil die Ereignisse selten, aber potenziell sehr schwerwiegend sind, sehen Fachbehörden hier einen besonderen Handlungsbedarf.

Konsequenz für die Praxis

Für die Anwendung in der Praxis bedeutet dies, dass Ärzte und Patienten gleichermaßen sensibilisiert sein müssen. Warnzeichen einer möglichen Leberschädigung dürfen nicht übersehen werden. Dazu gehören:

  • Gelbfärbung der Haut oder Augen (Ikterus)
  • Dunkler Urin und heller, entfärbter Stuhl
  • Schmerzen im rechten Oberbauch
  • Anhaltende Übelkeit, Appetitlosigkeit oder ungewöhnliche Müdigkeit

Tritt eines oder mehrere dieser Symptome auf, sollte die Einnahme sofort beendet und ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Besonders bei Menschen mit bekannten Lebererkrankungen oder bei gleichzeitiger Einnahme anderer hepatotoxischer Medikamente ist das Risiko erhöht, weshalb in solchen Fällen Iberogast gar nicht eingesetzt werden sollte. Die wichtigste Konsequenz ist also: Auch wenn pflanzliche Arzneimittel häufig als besonders verträglich angesehen werden, dürfen mögliche schwerwiegende Nebenwirkungen nicht unterschätzt werden.

Wer sollte Iberogast nicht einnehmen?

  • Bestehende oder durchgemachte Lebererkrankung oder gleichzeitige Anwendung hepatotoxischer Arzneimittel → Kontraindikation.
  • Schwangerschaft und Stillzeitnicht einnehmen.
  • Kinder < 3 Jahrennicht zugelassen. Diese Punkte sind ausdrücklich in der Fachinformation geregelt.

Warnzeichen: Sofort handeln

Bei folgenden Symptomen Einnahme sofort beenden und ärztlich abklären lassen:

  • Gelbe Haut/Skleren (Ikterus)
  • Dunkler Urin, heller (entfärbter) Stuhl
  • Schmerzen im rechten Oberbauch, anhaltende Übelkeit, Appetitverlust, Müdigkeit

Diese Liste entspricht den offiziellen Warnhinweisen von BfArM/Fachinfo.

Praktische Hinweise zur sicheren Anwendung

  • Keine Dauer-Selbstmedikation bei immer wiederkehrenden Beschwerden: Ärztliche Abklärung, wenn die Symptome länger anhalten, sich verstärken oder neue Alarmsymptome (Gewichtsverlust, Blut im Stuhl, anhaltendes Erbrechen, starke Schmerzen) auftreten.
  • Maximale Vorsicht bei gleichzeitiger Einnahme anderer potenziell hepatotoxischer Medikamente oder regelmäßigem Alkoholkonsum.
  • Dokumentiere Beginn, Dosis und Symptomverlauf; bei Laborwertkontrollen (ALT, AST, Bilirubin, AP) sind frühe Veränderungen ein wichtiges Signal. Die Fachinformation empfiehlt generell ärztliche Abklärung, wenn nach 7 Tagen keine Besserung eintritt oder sich die Beschwerden unter der Einnahme verschlechtern.

Fazit

Iberogast ist ein pflanzliches Arzneimittel mit traditionell breiter Anwendung bei funktionellen Magen-Darm-Beschwerden. Gleichzeitig gelten – wegen des Schöllkraut-Anteilsklare Leberwarnungen, die unbedingt beachtet werden müssen. Wer Lebervorgeschichte hat, hepatotoxische Medikamente nimmt, schwanger ist oder stillt, sollte Iberogast nicht anwenden. Bei Warnzeichen gilt: sofort absetzen und ärztlich abklären.

Quellen

  • Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) (2018): Rote-Hand-Brief zu Iberogast – Risiken lebertoxischer Reaktionen. Berlin. Verfügbar unter: https://www.akdae.de [Zugriff: 17.08.2025].
  • Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) (2018): Risikobewertung zu Iberogast und anderen schöllkrauthaltigen Präparaten – verbindliche Leber-Warnhinweise. Bonn. Verfügbar unter: https://www.bfarm.de [Zugriff: 17.08.2025].
  • BfArM (2019): Fachinformation Iberogast Classic. Bayer Vital GmbH. Bonn. Verfügbar unter: https://www.fachinfo.de [Zugriff: 17.08.2025].
  • Stickel, F., & Schuppan, D. (2007): Herbal medicine in the treatment of liver diseases. Seminars in Liver Disease, 27(1), S. 13–32. Verfügbar unter: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17295175/ [Zugriff: 17.08.2025].
  • Benninger, J., Schneider, H. T., Schuppan, D., Kirchner, T., & Hahn, E. G. (1999): Acute hepatitis induced by Greater Celandine (Chelidonium majus). Gastroenterology, 117(5), S. 1234–1237. Verfügbar unter: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10535891/ [Zugriff: 17.08.2025].
  • Teschke, R., Frenzel, C., Glass, X., Schulze, J., & Eickhoff, A. (2012): Herbal hepatotoxicity: A critical review. British Journal of Clinical Pharmacology, 75(3), S. 630–636. Verfügbar unter: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22642781/ [Zugriff: 17.08.2025].

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