Morbus Menière ist keine Erkrankung, die sich auf einzelne Symptome reduzieren lässt. Schwindelattacken, Übelkeit, Ohrdruck, Hörschwankungen und Tinnitus greifen ineinander und beeinflussen nicht nur den Körper, sondern auch Sicherheit, Selbstvertrauen und Lebensplanung. Viele erleben die Krankheit als unberechenbar, weil sich Phasen relativer Stabilität abrupt mit schweren Anfällen abwechseln können. Medikamente sind deshalb für viele kein nebensächlicher Bestandteil der Behandlung, sondern ein Versuch, dem Krankheitsgeschehen Grenzen zu setzen und wieder mehr Vorhersehbarkeit in den Alltag zu bringen.
Die medikamentöse Behandlung folgt dabei selten einem festen Schema. Sie entwickelt sich im Verlauf, reagiert auf Veränderungen der Symptome, auf Nebenwirkungen und auf die Anforderungen des täglichen Lebens. Manche Medikamente begleiten über Jahre, andere kommen nur in akuten Situationen zum Einsatz. Allen gemeinsam ist, dass sie nie isoliert wirken, sondern immer im Spannungsfeld zwischen Symptomlinderung und zusätzlicher Belastung stehen. Genau dieses Abwägen prägt die Therapie bei Morbus Menière.
Betahistin (Wirkstoff: Betahistin)
Betahistin wird häufig als langfristige Basistherapie eingesetzt, wenn Schwindelattacken wiederkehren und der Wunsch besteht, den Verlauf insgesamt zu stabilisieren. Die Wirkung ist selten unmittelbar spürbar. Vielmehr geht es darum, ob sich über Wochen und Monate Veränderungen zeigen, etwa längere Abstände zwischen den Attacken oder ein weniger überwältigendes Erleben, wenn es zu einem Anfall kommt.
Der Wirkstoff beeinflusst Botenstoffsysteme, die sowohl mit der Durchblutung des Innenohrs als auch mit der zentralen Verarbeitung von Gleichgewichtssignalen zusammenhängen. Dadurch kann das Gleichgewichtssystem insgesamt weniger empfindlich auf innere Schwankungen reagieren. Für viele zeigt sich die Wirkung eher rückblickend als im Alltag unmittelbar, was die Einschätzung nicht immer leicht macht.
Nebenwirkungen betreffen vor allem den Magen-Darm-Trakt. Magendruck, Übelkeit, Völlegefühl oder Sodbrennen sind häufig genannte Beschwerden, dazu kommen gelegentlich Kopfschmerzen. Diese Nebenwirkungen sind meist nicht gefährlich, können aber entscheidend dafür sein, ob die Therapie langfristig durchhaltbar ist. In solchen Fällen wird oft über Dosisanpassungen oder Einnahmezeiten nachgedacht, weil eine Therapie nur dann sinnvoll ist, wenn sie im Alltag tragbar bleibt.
Diuretika wie Hydrochlorothiazid und Kombinationen mit Amilorid
Diuretika verfolgen einen anderen Ansatz als Betahistin. Sie wirken nicht direkt am Gleichgewichtssystem, sondern beeinflussen den Salz- und Wasserhaushalt des gesamten Körpers. Die Idee dahinter ist, ausgeprägte Schwankungen im Flüssigkeitshaushalt abzuflachen, die sich möglicherweise auch im Innenohr auswirken. Dieser Ansatz kann hilfreich sein, betrifft aber viele körperliche Systeme gleichzeitig.
Durch ihre Wirkung auf Blutdruck, Flüssigkeitsverteilung und Elektrolyte können Diuretika stabilisierend wirken, aber auch neue Probleme verursachen. Kreislaufschwäche, Müdigkeit oder ein Gefühl körperlicher Unsicherheit sind keine Seltenheit. Besonders relevant sind Veränderungen des Kaliumspiegels, die sich schleichend entwickeln können und nicht immer sofort eindeutig zuzuordnen sind.
Ein Kaliummangel kann sich durch Muskelkrämpfe, Muskelschwäche, Herzstolpern oder ausgeprägte Erschöpfung äußern. Da diese Symptome leicht mit der Erkrankung selbst verwechselt werden können, gehören regelmäßige Blutkontrollen fest zur Therapie. Auch hier zeigt sich, dass Wirksamkeit und Nebenwirkungen immer gemeinsam betrachtet werden müssen.
Dimenhydrinat (Wirkstoff: Dimenhydrinat)
Dimenhydrinat wird meist in akuten Schwindelattacken eingesetzt, wenn Übelkeit und Erbrechen im Vordergrund stehen und Handlungsfähigkeit verloren geht. Der Wirkstoff dämpft die Signalverarbeitung im zentralen Nervensystem und kann dadurch das subjektive Schwindelerleben und die Übelkeit reduzieren. Er verändert den Krankheitsverlauf nicht, kann aber helfen, eine akute Situation zu überstehen.
Die dämpfende Wirkung ist häufig deutlich spürbar, geht aber fast immer mit Müdigkeit und Benommenheit einher. Konzentration und Reaktionsfähigkeit sind eingeschränkt, was Aktivitäten wie Autofahren oder sicheres Gehen erschwert. Im Alltag bedeutet das oft, dass während der Wirkung Ruhe notwendig ist und der Anfall abgewartet werden muss.
Zusätzlich können Mundtrockenheit, Verstopfung und verschwommenes Sehen auftreten. Dimenhydrinat ist deshalb kein Medikament für den dauerhaften Einsatz, sondern eine gezielte Hilfe für Ausnahmesituationen.
Metoclopramid und Ondansetron
Bei manchen Attacken steht weniger der Schwindel selbst als vielmehr die Übelkeit im Vordergrund. Metoclopramid wirkt auf das Brechzentrum im Gehirn und fördert zusätzlich die Magenentleerung. Ondansetron greift an anderen Rezeptoren an, die an der Entstehung von Übelkeit beteiligt sind. Beide können die Belastung während eines Anfalls deutlich reduzieren.
Metoclopramid kann allerdings Nebenwirkungen entwickeln, die selbst stark belastend sind. Innere Unruhe, Bewegungsdrang oder unwillkürliche Muskelbewegungen sind mögliche Effekte, weshalb das Medikament meist nur kurzfristig eingesetzt wird. Ondansetron wird oft besser vertragen, kann jedoch Kopfschmerzen, Verstopfung und in seltenen Fällen Herzrhythmusstörungen verursachen.
Benzodiazepine wie Diazepam
Benzodiazepine werden nur in besonderen Ausnahmesituationen eingesetzt. Sie dämpfen das zentrale Nervensystem, reduzieren Angst und Unruhe und können dadurch die subjektive Bedrohlichkeit einer Attacke senken. Gerade wenn Schwindel mit starker Angst verbunden ist, kann diese Wirkung kurzfristig entlastend sein.
Gleichzeitig führen Benzodiazepine häufig zu starker Müdigkeit, Benommenheit und einer deutlichen Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit. Das Sturzrisiko steigt, ebenso die Gefahr einer Gewöhnung. Deshalb spielen diese Medikamente keine Rolle in der langfristigen Behandlung, sondern bleiben ein Notfallinstrument.
Gentamicin (Wirkstoff: Gentamicin)
Gentamicin kommt zum Einsatz, wenn andere medikamentöse Maßnahmen den Schwindel nicht ausreichend kontrollieren. Der Wirkstoff wird lokal ins Mittelohr eingebracht und schädigt gezielt Anteile des Gleichgewichtsorgans. Ziel ist, die überaktive Seite zu dämpfen, sodass das Gehirn sich stärker auf andere Orientierungssysteme verlassen kann.
Die Wirksamkeit kann hoch sein, der Eingriff ist jedoch tiefgreifend. Eine dauerhafte Verschlechterung des Hörvermögens ist möglich, ebenso eine Phase ausgeprägten Schwindels nach der Behandlung, während das Gehirn die veränderte Situation kompensiert. Diese Phase ist häufig körperlich und psychisch belastend und erfordert Geduld und Stabilisierung.
Dexamethason (Wirkstoff: Dexamethason)
Dexamethason wird ebenfalls lokal eingesetzt, verfolgt jedoch einen weniger zerstörenden Ansatz. Es soll entzündliche oder immunologische Prozesse im Innenohr dämpfen, ohne das Gleichgewichtsorgan gezielt auszuschalten. Die Wirkung ist individuell sehr unterschiedlich und reicht von deutlicher Entlastung bis zu kaum wahrnehmbarer Veränderung.
Nebenwirkungen betreffen meist das Ohr selbst, etwa Schmerzen oder kurzfristigen Schwindel nach der Injektion. Systemische Kortisonwirkungen treten deutlich seltener auf, sind aber nicht vollständig ausgeschlossen.
Medikamente, Alltag und Lebensqualität
Medikamente beeinflussen nicht nur Symptome, sondern auch Leistungsfähigkeit, Sicherheit und Teilhabe. Müdigkeit, Benommenheit und Konzentrationsstörungen können Arbeit, Autofahren und soziale Aktivitäten einschränken. Diese Auswirkungen sind keine Nebensache, sondern Teil der Therapieentscheidung.
Die medikamentöse Behandlung von Morbus Menière ist deshalb ein fortlaufender Aushandlungsprozess. Therapien werden begonnen, angepasst, pausiert oder beendet. Ziel ist nicht vollständige Symptomfreiheit um jeden Preis, sondern ein Gleichgewicht zwischen Kontrolle der Erkrankung und Erhalt von Lebensqualität.






