Die Entfernung der Eierstöcke, medizinisch als Ovarektomie bekannt, ist ein schwerwiegender Eingriff, der das Leben vieler Frauen tiefgreifend verändern kann. Egal, ob die Operation aus gesundheitlichen Gründen wie Eierstockkrebs, Endometriose oder zur Senkung des Brustkrebsrisikos erfolgt – die Entscheidung ist meist nicht leicht und bringt eine Vielzahl an körperlichen und emotionalen Herausforderungen mit sich. Dieser Artikel beleuchtet die häufigsten Veränderungen, die nach einer Ovarektomie auftreten können, und bietet einen verständnisvollen Einblick in das Leben danach.
Hormonelle Veränderungen: Plötzliche Menopause und ihre Folgen
Die Eierstöcke sind die Hauptproduzenten der weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron. Werden beide Eierstöcke entfernt, hört die Hormonproduktion abrupt auf, was zu einer sogenannten chirurgisch induzierten Menopause führt. Anders als bei der natürlichen Menopause tritt diese plötzlich ein, wodurch sich typische Symptome intensivieren können:
- Hitzewallungen und Nachtschweiß: Viele Frauen leiden unter plötzlichen Hitzewallungen, die den Alltag und den Schlaf erheblich beeinträchtigen können. Diese Veränderungen können belastend sein, besonders wenn sie unerwartet und intensiv auftreten.
- Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen: Der Verlust der Hormonbalance kann den Schlaf stören und zu Unruhe oder sogar Depressionen führen. Es kann helfen, sich bewusst Zeit für Entspannung und Selbstfürsorge zu nehmen.
- Scheidentrockenheit: Der Rückgang der Östrogenspiegel kann zu Trockenheit und Reizungen führen, was den Geschlechtsverkehr schmerzhaft machen kann. Hier können spezielle Gleitmittel oder hormonhaltige Cremes helfen, die Beschwerden zu lindern.
Der Verlust von Testosteron: Auswirkungen auf die Energie und Libido
Neben dem Östrogen produzieren die Eierstöcke auch eine geringe, aber bedeutsame Menge an Testosteron. Dieses Hormon, das meist mit Männern in Verbindung gebracht wird, spielt jedoch auch im weiblichen Körper eine wichtige Rolle. Testosteron ist bei Frauen am Erhalt der sexuellen Lust (Libido) und des allgemeinen Energielevels beteiligt. Es beeinflusst Motivation, körperliche Kraft und das allgemeine Wohlbefinden. Während Testosteron im Vergleich zu Östrogen eine kleinere Rolle spielt, können Veränderungen in seinem Level nach der Entfernung der Eierstöcke dennoch spürbare Auswirkungen haben.
Auswirkungen auf die Libido: Weniger Verlangen, aber nicht weniger Nähe
Nach einer Ovarektomie kann es vorkommen, dass Frauen eine Veränderung ihrer sexuellen Lust empfinden. Während einige Frauen berichten, dass sie weniger Interesse am Geschlechtsverkehr haben, bleiben für andere die Empfindungen unverändert. Es ist wichtig zu verstehen, dass dies von Frau zu Frau sehr unterschiedlich sein kann. Der plötzliche Rückgang der Testosteronproduktion kann dazu führen, dass sexuelle Reize weniger ansprechend wirken und der Körper weniger spontan darauf reagiert. Dies kann für viele Frauen, die früher eine gesunde Libido hatten, verwirrend und belastend sein.
Das Gefühl, dass der eigene Körper anders reagiert als zuvor, kann auch Ängste und Selbstzweifel hervorrufen. Manchmal haben Frauen das Gefühl, ihre Attraktivität oder Nähe zum Partner zu verlieren. Hier ist es entscheidend, dass betroffene Frauen verstehen, dass eine verminderte Lust nichts mit dem eigenen Wert oder der Beziehung zum Partner zu tun hat, sondern eine natürliche Reaktion des Körpers auf den Hormonverlust ist. Es bedeutet nicht, dass Zärtlichkeit und Nähe verloren gehen müssen – vielmehr kann es helfen, gemeinsam neue Formen der Intimität zu erkunden, die beiden Partnern gut tun.
Energie und Wohlbefinden: Wenn das innere Feuer nachlässt
Testosteron trägt auch dazu bei, dass sich Frauen energiegeladen und motiviert fühlen. Nach der Entfernung der Eierstöcke können einige Frauen bemerken, dass sie sich schneller erschöpft fühlen und weniger Motivation für Aktivitäten haben, die ihnen früher Freude bereitet haben. Das kann das Gefühl verstärken, körperlich und emotional aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Dieser Verlust an Energie kann zu Frustration führen und den Alltag belasten, vor allem, wenn es darum geht, sich um Beruf, Familie und persönliche Interessen zu kümmern.
Viele Frauen beschreiben, dass sie sich nach der Ovarektomie „ausgebrannter“ fühlen oder das Gefühl haben, ihre Leistungsfähigkeit habe nachgelassen. Auch wenn der Zusammenhang zwischen Testosteron und Energielevel nicht bei allen Frauen gleich stark ausgeprägt ist, so kann der Verlust doch eine spürbare Veränderung im allgemeinen Wohlbefinden mit sich bringen.
Unterstützung suchen: Ein offenes Gespräch über neue Bedürfnisse
Es ist wichtig, dass Frauen, die diese Veränderungen spüren, sich nicht allein gelassen fühlen. Gespräche mit dem Partner oder der Partnerin können helfen, Missverständnisse zu vermeiden und ein tieferes Verständnis füreinander zu entwickeln. In einer liebevollen Partnerschaft kann es tröstlich sein, gemeinsam Wege zu finden, um den neuen Bedürfnissen und Empfindungen gerecht zu werden.
Wenn das Thema jedoch schwer fällt oder zu Spannungen in der Beziehung führt, kann professionelle Unterstützung in Form von Sexualberatung oder Psychotherapie hilfreich sein. Therapeut:innen, die auf das Thema Hormonveränderungen und Sexualität spezialisiert sind, können dazu beitragen, dass betroffene Frauen sich verstanden fühlen und Lösungen finden, die zu ihrer Lebenssituation passen.
Es gibt zudem hormonelle Therapien, die gezielt darauf abzielen, die Testosteronspiegel zu stabilisieren. Diese sollten jedoch immer gemeinsam mit einer Ärztin oder einem Arzt individuell besprochen werden, da sie nicht für jede Frau geeignet sind und Risiken mit sich bringen können.
Selbstakzeptanz und Geduld: Den eigenen Körper neu kennenlernen
Der Prozess der Anpassung an die hormonellen Veränderungen ist oft nicht leicht und braucht Zeit. Es kann frustrierend sein, wenn der eigene Körper nicht mehr so reagiert wie gewohnt. Aber es ist auch eine Chance, sich selbst und die eigene Sexualität neu zu entdecken. Frauen, die lernen, mit diesen Veränderungen geduldig umzugehen und offen für neue Erfahrungen zu sein, können häufig einen neuen Weg zu ihrem Körper und ihrer Lust finden – auch wenn dieser vielleicht anders aussieht als zuvor.
Es ist wichtig, zu verstehen, dass der Verlust von Testosteron und die damit einhergehenden Veränderungen nichts Ungewöhnliches sind. Frauen, die sich in dieser Situation befinden, verdienen Mitgefühl und Unterstützung, sowohl von sich selbst als auch von ihren nahestehenden Menschen. In einem offenen und verständnisvollen Umfeld können viele Betroffene lernen, die Veränderungen anzunehmen und sich selbst wieder neu zu finden.
Die emotionale Belastung: Trauer, Angst und Akzeptanz
Die Entfernung der Eierstöcke bedeutet für viele Frauen weit mehr als nur einen medizinischen Eingriff – sie kann das Leben auf tiefgreifende Weise verändern und eine Vielzahl an emotionalen Herausforderungen mit sich bringen. Ein besonders schmerzhafter Aspekt ist der Verlust der Fruchtbarkeit. Für Frauen, die sich noch Kinder gewünscht hätten, kann dieser Verlust eine schmerzhafte Endgültigkeit mit sich bringen. Es ist, als ob eine Tür für immer verschlossen wurde, was tiefe Trauer und einen schweren emotionalen Schmerz auslösen kann. Selbst wenn der Kinderwunsch nicht akut war, kann das Wissen um diese endgültige Veränderung eine schmerzhafte Realität darstellen.
Trauer um den Verlust der Fruchtbarkeit
Für viele Frauen symbolisieren die Eierstöcke nicht nur die Möglichkeit, Kinder zu bekommen, sondern sind auch ein Teil ihres Verständnisses von Weiblichkeit und Selbstbild. Die Gewissheit, dass die eigene Fruchtbarkeit nun unwiederbringlich verloren ist, kann zu einem Gefühl der Leere führen, das schwer zu füllen ist. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in dieser Zeit eine Trauerphase durchlebt wird – ähnlich wie beim Verlust eines geliebten Menschen. Gefühle von Traurigkeit, Wut und auch Verzweiflung können auftreten und es kann sich so anfühlen, als ob ein Teil der eigenen Identität verloren gegangen ist.
In diesen Momenten ist es wichtig, sich selbst Mitgefühl entgegenzubringen und zu verstehen, dass es keine „richtige“ oder „falsche“ Art gibt, mit diesem Verlust umzugehen. Jeder Mensch verarbeitet solche einschneidenden Erlebnisse auf seine eigene Weise und in seinem eigenen Tempo. Die Trauer um die verlorene Möglichkeit, Mutter zu werden oder es erneut zu werden, ist legitim und verdient es, Raum zu bekommen.
Das Gefühl, weniger weiblich zu sein: Ein schwerer innerer Kampf
Für einige Frauen kann die Entfernung der Eierstöcke auch das Gefühl mit sich bringen, weniger weiblich oder weniger vollständig zu sein. Dies kann ein sehr schmerzhafter innerer Konflikt sein, der oft von Unsicherheiten begleitet wird. Die Eierstöcke stehen symbolisch für das Leben und die Fähigkeit, neues Leben zu schaffen, und ihr Verlust kann sich anfühlen wie ein Verlust der eigenen Identität als Frau. Es ist wichtig zu betonen, dass dieses Gefühl weder ungewöhnlich noch unbegründet ist – es ist ein Ausdruck der tieferen Bedeutung, die dieser Eingriff für viele Frauen hat.
In solchen Momenten kann es hilfreich sein, sich bewusst zu machen, dass die eigene Weiblichkeit nicht an die Funktion der Eierstöcke gebunden ist. Weiblichkeit ist ein vielschichtiges, individuelles und persönliches Erleben, das weit über biologische Funktionen hinausgeht. Sie findet Ausdruck in der Art, wie man fühlt, liebt und mit anderen Menschen in Verbindung tritt. Die Stärke, mit der eine Frau eine so tiefgreifende Veränderung in ihrem Leben bewältigt, ist ebenso ein Ausdruck ihrer Weiblichkeit.
Unterstützung und offene Gespräche: Die Last teilen
Eine der wichtigsten Schritte zur Bewältigung dieser emotionalen Herausforderungen kann sein, sich nicht mit den eigenen Gefühlen zu isolieren. Ein offenes Gespräch mit einem vertrauten Menschen – sei es der Partner, ein Familienmitglied oder eine enge Freundin – kann eine immense Erleichterung sein. Das Ausdrücken von Trauer, Ängsten und Sorgen hilft nicht nur, die Last zu teilen, sondern auch, sich selbst besser zu verstehen. Manchmal kann allein die Erfahrung, dass jemand zuhört und Verständnis zeigt, bereits ein großer Trost sein.
Doch nicht immer fällt es leicht, die eigenen Gefühle im nahen Umfeld zu teilen. In solchen Fällen kann es hilfreich sein, sich an eine professionelle psychologische Unterstützung zu wenden. Therapeut:innen sind geschult, Menschen durch Zeiten der Trauer und Veränderung zu begleiten, und können dabei helfen, die eigenen Gefühle in Worte zu fassen und neue Perspektiven zu entwickeln. Manchmal hilft es, die eigenen Sorgen in einem geschützten Rahmen auszusprechen, ohne Angst vor Urteil oder Missverständnissen.
Die Akzeptanz des eigenen Heilungsprozesses: Sich Zeit geben, Trauer zu verarbeiten
In der heutigen Gesellschaft besteht oft der Druck, nach einer schweren Erfahrung schnell wieder „zurück zur Normalität“ zu finden. Doch Trauer braucht Zeit – und es ist wichtig, sich diese Zeit zu geben. Zu wissen, dass es völlig in Ordnung ist, sich traurig oder wütend zu fühlen, kann helfen, die eigenen Gefühle anzunehmen, anstatt gegen sie anzukämpfen. Es ist ein Akt der Selbstfürsorge, sich die Zeit zu nehmen, die man braucht, um den Verlust zu verarbeiten und langsam zu akzeptieren, dass das Leben anders weitergeht, als man es sich vielleicht vorgestellt hat.
Viele Frauen erleben im Laufe der Zeit, dass sie trotz dieser tiefen Veränderung eine neue Stärke in sich entdecken. Sie erkennen, dass es möglich ist, sich mit der eigenen Geschichte anzufreunden, auch wenn sie anders verläuft als ursprünglich erhofft. Der Weg zur Akzeptanz ist nicht linear, er verläuft in Höhen und Tiefen. Doch gerade in diesen Momenten zeigt sich die unglaubliche Resilienz, die in jeder Frau steckt – die Fähigkeit, selbst nach einem schweren Verlust wieder Hoffnung und Lebensfreude zu finden.
Langfristige Risiken: Osteoporose und Herz-Kreislauf-Gesundheit
Östrogen ist nicht nur für die Fortpflanzung wichtig, sondern schützt auch die Knochen und das Herz-Kreislauf-System. Nach der Entfernung der Eierstöcke steigt das Risiko für Osteoporose, da die Knochen durch den Hormonmangel an Stabilität verlieren können. Ein erhöhter Kalzium- und Vitamin-D-Bedarf sowie regelmäßige Bewegung können helfen, die Knochengesundheit zu fördern.
Ebenso kann der plötzliche Verlust der Östrogene die Gefäße anfälliger machen, was das Risiko für Herzerkrankungen erhöht. Auch hier kann ein gesunder Lebensstil viel bewirken: Ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung und der Verzicht auf Rauchen sind entscheidende Faktoren, um das Herz zu schützen.
Veränderungen der Sexualität: Mit dem Körper neu vertraut werden
Durch den hormonellen Wandel kann es zu Veränderungen in der sexuellen Lust und der Empfindungsfähigkeit kommen. Diese Veränderungen müssen jedoch nicht immer negativ sein. Viele Frauen finden nach der ersten Phase der Unsicherheit Wege, ihre Sexualität neu zu entdecken. Einfühlsame Gespräche mit dem Partner, der Einsatz von Gleitmitteln oder auch eine hormonelle Therapie können helfen, wieder Freude an der körperlichen Intimität zu finden.
Hormontherapie: Linderung der Symptome, aber nicht ohne Risiko
Eine hormonelle Ersatztherapie (HRT) kann helfen, die Symptome der plötzlichen Menopause abzumildern und das Wohlbefinden zu steigern. Sie kann Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen und Osteoporoserisiken reduzieren. Allerdings sollte eine solche Therapie immer individuell mit der Ärztin oder dem Arzt besprochen werden, da sie auch Risiken wie ein leicht erhöhtes Brustkrebsrisiko mit sich bringen kann. Hier ist es wichtig, die persönlichen Bedürfnisse und die gesundheitliche Vorgeschichte sorgfältig abzuwägen.
Ein neuer Lebensabschnitt: Hoffnung und Mut in schwierigen Zeiten
Auch wenn die Ovarektomie eine einschneidende Veränderung darstellt, können Frauen lernen, sich mit der neuen Situation zu arrangieren und neue Stärke zu finden. Viele entdecken nach einiger Zeit der Anpassung, dass sie wieder Lebensqualität zurückgewinnen können – sei es durch die Unterstützung durch Familie und Freunde, durch eine Therapie oder durch die Entscheidung, sich selbst Zeit zu geben.
Es ist wichtig, dass Frauen nach einer solchen Operation wissen, dass sie mit ihren Sorgen nicht allein sind und dass es Wege gibt, diese herausfordernde Zeit zu bewältigen. Sich Unterstützung zu holen und offen über die eigenen Gefühle zu sprechen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Mut und Selbstfürsorge.
Fazit: Mit Verständnis und Geduld in die Zukunft blicken
Die Entfernung der Eierstöcke bringt viele körperliche und emotionale Veränderungen mit sich. Doch mit der richtigen Unterstützung, einem einfühlsamen Umfeld und einer angepassten medizinischen Begleitung können Frauen einen Weg finden, sich in diesem neuen Lebensabschnitt wieder wohlzufühlen. Es ist ein Prozess, der Zeit und Geduld erfordert, aber auch die Chance bietet, die eigene Stärke neu zu entdecken.