Mit dem Fortschreiten einer Demenzerkrankung verändert sich nicht nur das Gedächtnis der Betroffenen, sondern auch ihre Fähigkeit, klare und vernünftige Entscheidungen zu treffen. Diese Einschränkungen in der Urteils- und Entscheidungsfähigkeit wirken sich direkt auf den Alltag aus und führen häufig zu Situationen, in denen Betroffene nicht mehr in der Lage sind, Risiken angemessen einzuschätzen oder sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Die Folgen dieser Beeinträchtigungen können für die Betroffenen selbst und für ihre Angehörigen gravierend sein und erfordern besondere Vorsicht und Unterstützung.
Alltägliche Entscheidungen werden zur Herausforderung
Im Alltag sind wir ständig mit Entscheidungen konfrontiert, die oft intuitiv getroffen werden: Soll ich den Herd ausschalten? Was ziehe ich heute an? Wie gehe ich mit meinem Geld um? Für Menschen mit Demenz wird es zunehmend schwieriger, solche alltäglichen Entscheidungen zu bewältigen. Selbst einfache Handlungen wie das Anziehen von Kleidung oder das Kochen können plötzlich zur Herausforderung werden. Betroffene vergessen vielleicht, die Herdplatte auszuschalten, oder tragen im Winter nur leichte Kleidung, weil sie nicht einschätzen können, dass es kalt ist.
Diese scheinbar kleinen Entscheidungen können zu gefährlichen Situationen führen. Das Übersehen eines eingeschalteten Herdes kann zu einem Brand führen, das Tragen unangemessener Kleidung zu Erkältungen oder Schlimmerem. Die Unfähigkeit, Risiken korrekt zu bewerten, bedeutet, dass Betroffene nicht mehr in der Lage sind, sich selbst in vielen Situationen zu schützen.
Finanzielle Risiken: Betrug und unbedachte Ausgaben
Besonders problematisch sind die Auswirkungen der beeinträchtigten Urteilsfähigkeit im finanziellen Bereich. Menschen mit Demenz haben häufig Schwierigkeiten, den Wert von Geld richtig einzuschätzen oder Entscheidungen über größere Ausgaben zu treffen. Sie vergessen vielleicht, Rechnungen zu bezahlen, oder sie verlieren den Überblick über ihr Konto. In vielen Fällen fallen Betroffene auf Betrüger herein, die ihre verwirrte Lage ausnutzen.
Manche Menschen mit Demenz geben unbedacht große Geldbeträge aus oder spenden an Organisationen, die sie nicht wirklich kennen. Dieses Verhalten kann schnell zu erheblichen finanziellen Schwierigkeiten führen. Angehörige erleben oft mit großer Sorge, wie die betroffene Person Geld verschenkt oder in unnötige Dinge investiert, die sie nicht braucht.
Diese Situationen erfordern oft schnelles Handeln von Angehörigen oder gesetzlichen Betreuern. Es wird notwendig, finanzielle Angelegenheiten zu übernehmen, um sicherzustellen, dass der Betroffene geschützt ist und keine unbedachten Ausgaben tätigt, die das Vermögen oder die finanzielle Sicherheit gefährden.
Der schmerzhafte Verlust der Selbstbestimmung
Für Menschen mit Demenz bedeutet der Verlust der Entscheidungsfähigkeit nicht nur praktische Herausforderungen, sondern auch einen tiefen Einschnitt in ihr Selbstverständnis. Sie spüren oft selbst, dass sie Entscheidungen nicht mehr so treffen können wie früher, und das kann zu Frustration, Scham und Angst führen. Der Verlust der Fähigkeit, über das eigene Leben zu entscheiden, wird als sehr schmerzlich empfunden.
Das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, kann zu Verhaltensänderungen führen. Manche Menschen mit Demenz reagieren mit Gereiztheit, wenn sie das Gefühl haben, dass ihnen Entscheidungen abgenommen werden. Andere entwickeln ein Misstrauen gegenüber ihren Angehörigen, weil sie glauben, dass diese ihnen etwas vorenthalten oder über ihren Kopf hinweg entscheiden.
Für die Angehörigen ist es ein Balanceakt, die richtige Unterstützung zu bieten, ohne die betroffene Person das Gefühl der Eigenständigkeit völlig zu nehmen. Es ist entscheidend, Betroffene so weit wie möglich in Entscheidungen einzubeziehen und sie nicht zu bevormunden, selbst wenn ihre Fähigkeit, vernünftige Urteile zu fällen, eingeschränkt ist.
Vorsorge und rechtliche Absicherung
Ein wichtiger Schritt, um die Entscheidungsfähigkeit von Menschen mit Demenz zu schützen, ist die frühzeitige rechtliche Vorsorge. Oft sind die Betroffenen in den frühen Stadien der Krankheit noch in der Lage, wichtige Entscheidungen zu treffen, und es ist ratsam, diese Zeit zu nutzen, um Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen. Eine Vorsorgevollmacht ermöglicht es einer vertrauenswürdigen Person, im Namen des Betroffenen zu handeln, wenn dieser nicht mehr in der Lage ist, selbst Entscheidungen zu treffen.
Ebenso wichtig ist die Erstellung einer Betreuungsverfügung. Diese legt fest, wer im Fall der Entscheidungsunfähigkeit die rechtliche Betreuung übernehmen soll. Diese Maßnahmen bieten Sicherheit und stellen sicher, dass die Interessen des Betroffenen auch dann gewahrt bleiben, wenn er selbst nicht mehr in der Lage ist, für sich zu sorgen.
Unterstützung im Alltag: Hilfsmittel und Strukturen
Auch im Alltag gibt es Möglichkeiten, die Entscheidungsfähigkeit von Menschen mit Demenz zu unterstützen und gefährliche Situationen zu vermeiden. Strukturierte Tagesabläufe und klare Routinen können dazu beitragen, den Alltag vorhersehbarer zu machen. Wenn bestimmte Aufgaben wie das Anziehen oder das Essen immer zur gleichen Zeit und auf die gleiche Weise erledigt werden, können sich Betroffene besser orientieren und Entscheidungen leichter treffen.
Technische Hilfsmittel wie intelligente Haushaltsgeräte oder Erinnerungssysteme können ebenfalls hilfreich sein. Es gibt inzwischen Herdsysteme, die sich nach einer bestimmten Zeit von selbst ausschalten, oder Apps, die an wichtige Aufgaben wie das Einnehmen von Medikamenten erinnern.
Für komplexere Entscheidungen, insbesondere im finanziellen Bereich, ist es oft hilfreich, einfache Hilfsmittel zur Entscheidungsfindung anzubieten. Zum Beispiel können Angehörige gemeinsam mit dem Betroffenen ein festes Wochenbudget aufstellen oder Checklisten erstellen, die dabei helfen, wichtige Rechnungen und Zahlungen im Blick zu behalten. Auf diese Weise bleibt die Person, so weit wie möglich, in den Entscheidungsprozess eingebunden, auch wenn die Urteilsfähigkeit eingeschränkt ist.
Die Rolle der Angehörigen: Mit Geduld und Empathie unterstützen
Die zunehmende Entscheidungsunsicherheit bei Demenz kann für Angehörige sehr belastend sein. Sie müssen oft Entscheidungen für die betroffene Person treffen, die früher selbstständig und souverän war. Das Gefühl, die Kontrolle über wichtige Bereiche des Lebens eines geliebten Menschen übernehmen zu müssen, kann emotional schwierig sein.
Dabei ist es wichtig, dass Angehörige Geduld und Einfühlungsvermögen zeigen. Der Verlust der Entscheidungsfähigkeit kann für die betroffene Person sehr demütigend sein, und es ist entscheidend, dass sie nicht das Gefühl bekommt, bevormundet zu werden. Angehörige sollten immer bemüht sein, dem Betroffenen das Gefühl zu geben, dass seine Meinung wichtig ist und er, so weit wie möglich, in den Entscheidungsprozess eingebunden bleibt.
Auch der Austausch mit anderen Angehörigen kann eine wertvolle Unterstützung sein. Selbsthilfegruppen bieten oft die Möglichkeit, sich mit anderen Menschen auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen machen, und praktische Tipps zu erhalten, wie man den Alltag besser organisieren kann.
Fazit
Die beeinträchtigte Urteils- und Entscheidungsfähigkeit ist eine der gravierendsten Auswirkungen der Demenz, die sich auf den Alltag und die Selbstständigkeit der Betroffenen auswirkt. Für die Betroffenen selbst ist es oft schmerzhaft, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren, und für die Angehörigen ist es eine große Verantwortung, diese Kontrolle schrittweise zu übernehmen.
Mit Geduld, liebevoller Unterstützung und rechtzeitigen Vorsorgemaßnahmen können gefährliche Situationen vermieden und der Alltag für Betroffene und ihre Familien erleichtert werden. Es bleibt wichtig, die Würde und das Gefühl der Eigenständigkeit des Betroffenen so lange wie möglich zu bewahren und ihm auch in schwierigen Zeiten das Gefühl zu geben, gehört und respektiert zu werden.