Die Entfernung der Eierstöcke – medizinisch Ovarektomie genannt – ist einer der tiefgreifendsten Eingriffe, die eine Frau erleben kann. Er betrifft nicht nur den Hormonhaushalt, sondern das gesamte Selbstverständnis, die Beziehung zum eigenen Körper und die Art, wie Nähe, Zärtlichkeit und Sexualität empfunden werden. Viele Frauen beschreiben die Zeit danach als emotional aufgewühlt: zwischen Erleichterung, dass eine Krankheit besiegt wurde, und dem schmerzhaften Bewusstsein, dass sich der eigene Körper verändert hat – endgültig und spürbar. Diese Veränderungen reichen weit über das Physische hinaus. Sie berühren Fragen von Weiblichkeit, Selbstwert, Attraktivität und Identität. Sexualität wird in dieser Phase oft zu einem stillen Thema. Viele trauen sich kaum, darüber zu sprechen, selbst mit dem Partner oder der Ärztin. Dabei wäre genau das wichtig – denn die Art, wie man Intimität erlebt, kann sich nach der Operation verändern, aber sie kann sich auch neu entwickeln, tiefer, bewusster und sinnlicher, wenn man ihr Raum gibt.

Der Körper braucht Zeit – und Verständnis
Wenn beide Eierstöcke entfernt werden, endet die Produktion der Hormone Östrogen und Testosteron abrupt. Der Körper erlebt keinen langsamen Übergang wie in der natürlichen Menopause, sondern einen hormonellen Sturz. Diese plötzliche Veränderung wirkt sich auf viele Ebenen aus: auf die Schleimhäute, auf den Kreislauf, auf die Stimmung, die Energie und auch auf das sexuelle Empfinden.
Im Intimbereich bedeutet das häufig Trockenheit, Brennen, ein Spannungsgefühl oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Der Körper reagiert nicht mehr automatisch auf Reize, und selbst vertraute Berührungen fühlen sich anders an. Viele Frauen beschreiben es, als habe der Körper seine Sprache verloren – er antwortet nicht mehr auf die gewohnten Signale.
Diese Phase kann frustrierend sein, aber sie ist kein endgültiger Zustand. Der Körper ist kein statisches System, er sucht und findet neue Wege, sich einzupendeln. Er braucht Geduld, Wärme, Zärtlichkeit und Zeit. Wenn man sich mit Druck oder Angst nähert, verkrampft er. Wenn man ihn liebevoll behandelt, sich kleine Momente der Nähe erlaubt und die eigenen Bedürfnisse respektiert, beginnt er langsam, wieder Vertrauen zu fassen.
Eine Möglichkeit, diese Zeit zu erleichtern, ist bewusste Selbstfürsorge. Ein warmes Bad, eine sanfte Massage, regelmäßige Bewegung und Entspannung können helfen, die Durchblutung zu fördern. Auch lokale Östrogenpräparate oder hormonfreie Feuchtigkeitscremes können die Schleimhäute schützen und wieder geschmeidiger machen. Der Schlüssel liegt darin, dem Körper zuzuhören, statt ihn zu überfordern.
Lust ist mehr als Hormon – sie lebt von Vertrauen und Bewusstsein
Nach einer Ovarektomie verändert sich die hormonelle Grundlage der Lust – doch das bedeutet nicht, dass sie verschwindet. Viele Frauen merken, dass der spontane Drang nach Sex abnimmt, weil der Testosteronspiegel sinkt. Aber sexuelle Erregung ist nicht nur biochemisch – sie entsteht durch Nähe, Zärtlichkeit, Fantasie und emotionale Verbindung.
In dieser Phase kann sich Sexualität neu entfalten. Vielleicht weniger impulsiv, aber bewusster. Vielleicht nicht mehr getrieben von Körperreaktionen, sondern getragen von Vertrauen und Intimität. Wenn die gewohnte Lust fehlt, bedeutet das nicht, dass das Verlangen für immer verloren ist. Es bedeutet, dass der Weg dorthin anders wird.
Manche Frauen entdecken, dass sie stärker über Sinnlichkeit, Berührung und Emotion reagieren. Eine zärtliche Umarmung, eine ruhige Atmosphäre, Kerzenlicht oder gemeinsames Atmen können plötzlich wichtiger werden als reine Stimulation. Sexualität wird zu einem langsamen, innigen Gespräch zwischen Körpern, das nicht auf einen Höhepunkt zusteuert, sondern auf Verbindung.
Diese Veränderung kann eine Chance sein. Sie erlaubt, den Körper neu kennenzulernen – ohne Erwartung, ohne Pflichtgefühl, ohne den Druck, zu „funktionieren“. Sexualität wird dann zu einem Ort der Ruhe, des Trosts und der Wiederentdeckung, nicht der Leistung.
Die Bedeutung von Kommunikation – wenn Worte Nähe schaffen
Viele Frauen erleben nach der Entfernung der Eierstöcke eine stille Entfremdung zwischen sich und dem Partner. Die Unsicherheit, wie sich Sexualität verändert, trifft auf Angst, nicht mehr begehrenswert zu sein. Manche ziehen sich zurück, andere versuchen, normal weiterzumachen, obwohl sie sich unwohl fühlen. So entsteht Distanz, wo eigentlich Nähe gebraucht wird.
Gerade in dieser sensiblen Zeit ist es entscheidend, über Gefühle zu sprechen – auch wenn es schwerfällt. Wenn du erklärst, dass du dich anders fühlst, dass du Berührung brauchst, aber in deinem Tempo, schaffst du Verständnis. Offenheit nimmt Scham den Raum. Sie verwandelt Unsicherheit in Mitgefühl.
Viele Partner wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Sie sehen die körperliche Heilung, aber nicht die emotionale Wunde. Wenn sie verstehen, dass Lustlosigkeit oder Zurückhaltung keine Ablehnung sind, sondern Ausdruck einer körperlichen Anpassung, verändert sich alles. Dann entsteht Raum, Neues zu versuchen: andere Formen der Nähe, gemeinsame Rituale, kleine Berührungen ohne Ziel. Oft finden Paare gerade dadurch wieder zueinander – weil sie lernen, miteinander zu fühlen, statt gegeneinander zu kämpfen.
Medizinische Unterstützung – was wirklich helfen kann
Es ist kein Zeichen von Schwäche, medizinische Hilfe anzunehmen. Viele der körperlichen Beschwerden, die den Sex nach einer Ovarektomie erschweren, lassen sich behandeln. Lokale Östrogencremes oder Zäpfchen stärken das Gewebe und verbessern die Durchblutung, ohne den ganzen Körper zu belasten. Gleitmittel und Feuchtigkeitsgele mit Hyaluronsäure oder Milchsäure können Reibung mindern und das Wohlbefinden steigern.
Bei ausgeprägter Lustlosigkeit kann in manchen Fällen auch über eine sanfte Hormontherapie nachgedacht werden, die Testosteron in sehr niedriger Dosis ersetzt. Sie sollte aber individuell mit einer Fachärztin besprochen werden. Auch pflanzliche Präparate oder Akupunktur können unterstützend wirken.
Neben der medizinischen Ebene spielt Bewegung eine wichtige Rolle: regelmäßige Spaziergänge, Yoga oder leichtes Krafttraining fördern die Durchblutung und heben den Testosteronspiegel auf natürliche Weise leicht an. Eine ausgewogene Ernährung mit Omega-3-Fettsäuren, Zink und Vitamin D unterstützt ebenfalls das hormonelle Gleichgewicht.
Wenn die Psyche mitheilt – Verlust, Selbstbild und neue Weiblichkeit
Für viele Frauen ist der Verlust der Eierstöcke nicht nur ein hormonelles, sondern auch ein emotionales Ereignis. Sie verbinden mit ihnen Fruchtbarkeit, Weiblichkeit und Vitalität. Der Gedanke, dass sie fehlen, kann tief verunsichern. Manche empfinden Trauer, andere Scham, wieder andere das Gefühl, „nicht mehr ganz“ zu sein.
Diese Gefühle sind nicht übertrieben, sondern zutiefst menschlich. Sie verdienen Raum und Verständnis. Wer sich die Zeit nimmt, diese Trauer zuzulassen, wird sie irgendwann verwandeln können – in Akzeptanz, in Stärke, in neue Selbstliebe. Psychologische Begleitung kann hier eine wertvolle Hilfe sein, um die eigene Weiblichkeit neu zu definieren, jenseits biologischer Funktionen.
Weiblichkeit liegt nicht in Organen, sondern in Haltung, Gefühl, Empathie und der Fähigkeit, sich selbst zu lieben. Viele Frauen, die diesen Weg gegangen sind, beschreiben, dass sie ihre Sinnlichkeit bewusster erleben als früher. Sie definieren Weiblichkeit nicht mehr über Fruchtbarkeit, sondern über Tiefe, Ruhe und Selbstvertrauen.
Nähe ohne Druck – wenn Intimität neu entsteht
Nicht jede Berührung muss zu Sex führen. Manchmal ist Nähe wertvoller, wenn sie ohne Ziel bleibt. Ein Kuss, eine Hand, die auf der Haut ruht, eine gemeinsame Nacht, in der man sich einfach hält – all das sind Formen von Sexualität, weil sie Bindung, Vertrauen und Wärme ausdrücken.
Viele Paare entdecken gerade nach einer Ovarektomie, dass die körperliche Liebe eine neue Qualität bekommt, wenn sie nicht mehr unter Druck steht. Wenn der Körper Raum bekommt, ohne dass Erwartungen an ihn gestellt werden, findet er oft von selbst den Weg zurück zur Lust.
Es kann helfen, Intimität zu „üben“, ohne sie erzwingen zu wollen – sich zu berühren, zu kuscheln, zu küssen, ohne zu denken, was daraus werden muss. Diese Freiheit nimmt Stress aus der Situation und erlaubt dem Körper, sich zu entspannen. Erst wenn Entspannung da ist, kann Lust entstehen.
Heilung als Weg – dein Tempo zählt
Es gibt keinen festen Zeitrahmen, wie lange es dauert, bis sich Sexualität nach einer Ovarektomie wieder gut anfühlt. Für manche sind es Wochen, für andere Monate oder länger. Entscheidend ist nicht, wann du „fertig“ bist, sondern dass du dich ernst nimmst.
Heilung nach einer solchen Operation bedeutet, sich selbst wieder kennenzulernen – körperlich, emotional und seelisch. Dein Körper hat etwas Gewaltiges geleistet. Er braucht Respekt, Zärtlichkeit und Geduld. Wenn du lernst, ihn nicht zu verurteilen, sondern ihm zuzuhören, wirst du merken, dass er auf seine Weise zurückgibt: durch kleine Signale, durch Momente von Wärme, durch das erste Aufblühen von Lust, das sich plötzlich wieder richtig anfühlt.
Sexualität nach der Entfernung der Eierstöcke ist anders, ja – aber nicht weniger. Sie kann zu einer Reise werden, auf der du dich selbst neu findest: jenseits von Hormonen, jenseits von Erwartungen, hin zu einer Form der Nähe, die tief, ehrlich und heilend ist. Denn das, was bleibt, ist nicht der Verlust – sondern die Fähigkeit zu lieben, zu spüren und sich selbst wieder zu vertrauen.