Navigations-Button: Hamburger-Menü
Symbol für die Suche
Headbild mit zwei Männern und einer Frau: Mein leben mit HIV/AIDS

HIV-Medikamente haben in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Insbesondere Descovy (Emtricitabin/Tenofovir-Alafenamid, kurz FTC/TAF) wird oft als moderne Weiterentwicklung älterer Tenofovir-basierter Präparate wie Truvada (FTC/TDF) angesehen. Studien der letzten fünf Jahre (2020–2025) beleuchten die Wirksamkeit, die Sicherheitsaspekte und den Stellenwert von Descovy sowohl in der antiretroviralen Therapie (ART) als auch in der Präexpositionsprophylaxe (PrEP). Im Folgenden werden alle wichtigen Erkenntnisse aus diesen Arbeiten zusammengefasst, wobei klar wird, dass Descovy in manchen Punkten deutliche Vorteile gegenüber älteren Formulierungen hat – aber auch potenzielle Nachteile, insbesondere in Bezug auf Gewicht und Stoffwechsel.

Descovy in der antiretroviralen HIV-Therapie

Descovy (FTC/TAF) wird in der Regel nicht als Einzelpräparat, sondern im Rahmen einer Kombinationstherapie gegen HIV eingesetzt. Um zu verstehen, warum eine solche Kombination so entscheidend ist, lohnt sich ein Blick auf zentrale Studien der letzten Jahre:

Wirksamkeit:
Mehrere aktuelle Arbeiten bestätigen, dass FTC/TAF-basierte Regime in Bezug auf die Virusunterdrückung genauso wirksam sind wie FTC/TDF (Truvada). Eine Meta-Analyse aus 14 klinischen Studien mit insgesamt rund 14.900 Patientinnen und Patienten kam zu dem Ergebnis, dass beide Tenofovir-Formulierungen (TAF und TDF) in gängigen ART-Kombinationen vergleichbare Raten an virologischer Suppression erreichen. Dabei macht es kaum einen Unterschied, ob ein integrasehemmendes oder ein anders geartetes Regime gewählt wird. Lediglich in geboosterten Regimen (bei denen ein zusätzlicher Wirkstoff wie Cobicistat oder Ritonavir die Konzentration des Hauptmedikaments erhöht) fand man einen minimalen Vorteil zugunsten von TAF.

Sicherheit und Verträglichkeit:
Die generelle Verträglichkeit ist sowohl bei TAF- als auch TDF-haltigen Schemata hoch. Schwerwiegende Nebenwirkungen oder Therapieabbrüche sind in beiden Gruppen selten. Studien weisen aber auf spezifische Unterschiede hin, die für die Therapieentscheidungen wichtig sind. So zeigt Descovy (FTC/TAF) insbesondere in den Bereichen Nieren- und Knochengesundheit häufig Vorteile gegenüber FTC/TDF. Wer zu Beginn der Therapie bereits Risikofaktoren für Osteoporose oder Niereninsuffizienz mitbringt, kann von der TAF-Formulierung profitieren.

Nieren- und Knochentoxizität:
Mit älteren TDF-haltigen Kombinationen (beispielsweise in Truvada) bestand über längere Zeit das Risiko einer – wenn auch oft milden – Belastung der Nierenfunktion und der Knochendichte. TAF (Tenofovir-Alafenamid) wurde speziell dafür entwickelt, diese Probleme zu mindern. Neuere Untersuchungen untermauern, dass TAF tendenziell seltener zu Proteinurie oder einer Verschlechterung der Nierenmarker führt und auch im Hinblick auf die Knochendichte neutraler ist. So verbesserte sich in einer prospektiven Studie nach dem Wechsel von TDF zu TAF sogar die Knochendichte, während die Nierenwerte stabil blieben oder sich verbesserten.

Gewicht und metabolische Effekte:
Ein kontrovers diskutierter Punkt ist die Gewichtszunahme, die unter modernisierten Therapien, insbesondere in Kombination mit Integrase-Inhibitoren (z. B. Dolutegravir oder Bictegravir), gehäuft beobachtet wurde. Vergleichsstudien deuten an, dass Personen, die von TDF zu TAF wechseln, im Durchschnitt etwas mehr Gewicht zulegen. Zusätzlich verändern sich Blutfettwerte (z. B. LDL-Cholesterin) ungünstig, da TDF offenbar eine leicht cholesterinsenkende Wirkung hat, die unter TAF entfällt. Somit können FTC/TAF-haltige Regime gelegentlich mit höheren Lipidspiegeln und gelegentlich auch Blutdruckanstiegen einhergehen. Diese Effekte sind zwar nicht bei allen stark ausgeprägt, sollten aber vor Therapiebeginn in der Beratung berücksichtigt werden.

Zusammenfassend ergibt sich in der Therapie folgendes Bild: Descovy bietet bei vergleichbarer Wirksamkeit wie Truvada einen potenziell besseren Schutz für Nieren und Knochen, während es im Bereich Gewichtszunahme und Stoffwechsel eher nachteilig sein kann. Diese Vor- und Nachteile sollten individuell abgewogen werden, insbesondere für Menschen mit bestehenden Knochen- oder Nierenproblemen, aber auch für Personen mit metabolischen Risikofaktoren (wie Übergewicht oder erhöhten Cholesterinwerten).

Descovy als HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP)

Neben der klassischen HIV-Therapie hat Descovy in den letzten Jahren auch eine wichtige Rolle als Präexpositionsprophylaxe (PrEP) eingenommen. Die Idee ist, HIV-negativen Menschen, die einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind, frühzeitig Schutz zu bieten.

Wirksamkeit: DISCOVER-Studie
Der zentrale Baustein für die PrEP-Zulassung von Descovy war die große randomisierte DISCOVER-Studie mit über 5.000 Teilnehmenden. Verglichen wurden FTC/TAF (Descovy) und FTC/TDF (Truvada) bei cis-männlichen und trans-femininen Personen, die Sex mit Männern haben (MSM oder trans Frauen). Das Ergebnis: Descovy war Truvada nicht unterlegen und verhinderte HIV-Infektionen sehr effektiv. Auch nach 96 Wochen blieben die Infektionsraten in beiden Gruppen extrem niedrig, wenn die Studienteilnehmer ihre Tabletten konsequent einnahmen.

Vorteile für Knochen und Nieren – Vorsicht beim Stoffwechsel
Wie schon in der Therapie zeigte sich auch in der PrEP, dass Descovy besser für Nieren und Knochen sein kann. Während es unter Truvada-PrEP zu kleinen, aber signifikanten Abnahmen der Knochendichte und leichten Nierenfunktionsveränderungen kommen kann, scheint Descovy diese Risiken zu verringern. Unter FTC/TAF blieb die Knochendichte in mehreren Studien nahezu stabil, und die Veränderungen bei den Nierenwerten waren geringer. Allerdings wurde in DISCOVER ebenso deutlich, dass die Teilnehmenden unter Descovy im Schnitt etwas mehr an Gewicht zunahmen und ungünstigere Veränderungen in den Blutfettwerten auftraten.

Real-World-Daten und zusätzliche Erkenntnisse
Auch in Beobachtungsstudien außerhalb streng kontrollierter klinischer Settings konnten Forscher zeigen, dass beide PrEP-Optionen (Descovy und Truvada) hochwirksam vor einer HIV-Infektion schützen. Nicht zuletzt deswegen ist Descovy heute in vielen Ländern als PrEP zugelassen. Gleichzeitig berichten einige Kohorten, dass Menschen, die Descovy statt Truvada einnehmen, häufiger Lipidprobleme oder Bluthochdruck entwickeln. Dies ist vermutlich auf den Wegfall von TDF-bedingten Effekten zurückzuführen, die leicht cholesterinsenkend wirken.

Wer sollte Descovy-PrEP nutzen?
Aktuell empfiehlt man Descovy in erster Linie für MSM und trans Frauen, bei denen das Risiko einer Ansteckung über den Analkontakt besteht. Bei Menschen, die hauptsächlich vaginalen Verkehr haben, ist Descovy hingegen nicht zugelassen. Grund dafür ist, dass TAF in den Vaginalschleimhäuten und im Zervikalsekret deutlich geringere Wirkstoffspiegel erzeugt. Bisher liegen für diesen Anwendungsbereich noch keine abschließenden Studienergebnisse vor. Wer also beispielsweise cis-Frau ist oder trans-maskuline Person mit Vaginalverkehr, sollte (Stand jetzt) auf Truvada oder alternative Präventionsmethoden (z. B. Cabotegravir-Spritze) zurückgreifen.

In besonderen Bevölkerungsgruppen wie Jugendlichen ab 35 kg Körpergewicht ist Descovy ebenfalls zulässig, sofern eine engmaschige ärztliche Begleitung stattfindet. Erste Daten sprechen dafür, dass die Verträglichkeit vergleichbar hoch ist wie bei Erwachsenen.

Übergang zwischen Therapie und PrEP

Die gewonnenen Erkenntnisse aus der HIV-Therapie (ART) und der PrEP fließen zunehmend zusammen. Descovy scheint für Menschen, die ohnehin Nieren- oder Knochenschäden befürchten, eine gute Option zu sein – egal, ob sie bereits HIV haben oder sich vor einer Ansteckung schützen wollen. Gleichzeitig dürfen die mögliche Gewichtszunahme und ein steigender Cholesterinspiegel nicht unbeachtet bleiben, besonders wenn schon andere Stoffwechselrisiken vorliegen.

Dadurch entsteht eine individuelle Entscheidungsbasis: Wer sehr schlank ist und vor allem Wert auf geringe Belastung von Nieren und Knochen legt, kann von Descovy profitieren. Wer hingegen ein metabolisches Risiko hat oder sein Gewicht unter Kontrolle halten möchte, kann in Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin gegebenenfalls bei Truvada bleiben oder auf andere Substanzen ausweichen.

Vor- und Nachteile abwägen

Descovy (Emtricitabin/TAF) hat sich in den letzten fünf Jahren als ebenso wirksam und sicher erwiesen wie das ältere Truvada (Emtricitabin/TDF), sowohl in der Behandlung von HIV als auch in der Prävention (PrEP). Für Patientinnen und Patienten, die besonders auf ihre Nieren- und Knochengesundheit achten müssen, bietet Descovy klare Vorteile, weil es weniger Nieren- und Knochentoxizität zeigt. Parallel dazu nehmen aber unter FTC/TAF manche Personen etwas mehr an Gewicht zu und entwickeln eher ungünstige Lipidwerte.

Für die PrEP ist Descovy gegen HIV-Infektionen bei cis-männlichen und trans-femininen Personen, die Analsex praktizieren, als gleichwertige Alternative zu Truvada zugelassen. Menschen, die primär Vaginalverkehr haben, sollten dagegen weiterhin auf bewährte Optionen wie Truvada setzen, da für die Wirksamkeit von Descovy hier noch keine ausreichenden Daten vorliegen. In jedem Fall sollte jede und jeder die individuelle Lebenssituation, mögliche Vor- und Vorerkrankungen sowie persönliche Vorlieben mit dem ärztlichen Fachpersonal besprechen, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen.

Quellen (Harvard-Stil)

  • Pilkington, V. et al. (2020) ‘Tenofovir alafenamide vs. tenofovir disoproxil fumarate: an updated meta-analysis of 14 894 patients across 14 trials’, AIDS, 34(15), pp. 2259–2268. DOI: 10.1097/QAD.0000000000002699
  • Mayer, K.H. et al. (2020) ‘Emtricitabine and tenofovir alafenamide vs emtricitabine and tenofovir disoproxil fumarate for HIV pre-exposure prophylaxis (DISCOVER): Primary results from a randomised, double-blind, multicentre, active-controlled, phase 3 trial’, Lancet, 396(10246), pp. 239–254. DOI: 10.1016/S0140-6736(20)31065-5
  • Ogbuagu, O. et al. (2021) ‘Long-term safety and efficacy of emtricitabine and tenofovir alafenamide vs emtricitabine and tenofovir disoproxil fumarate for HIV-1 PrEP: Week 96 results from a phase 3 trial (DISCOVER extension)’, Lancet HIV, 8(7), e397–e407. DOI: 10.1016/S2352-3018(21)00071-0
  • Hatakeyama, S. et al. (2021) ‘Outcomes associated with treatment change from tenofovir disoproxil fumarate to tenofovir alafenamide in HIV-1–infected patients: a real-world study in Japan’, HIV Medicine, 22(8), pp. 653–660. DOI: 10.1111/hiv.13061
  • Lacey, A. et al. (2020) ‘Investigating the effect of antiretroviral switch to tenofovir alafenamide on lipid profiles in people living with HIV within the UCD cohort’, AIDS, 34(00). (ahead of print Apr 2020). DOI: 10.1097/QAD.0000000000002541
  • Rivera, A.S. et al. (2023) ‘Use of tenofovir alafenamide for PrEP and incidence of hypertension and statin initiation’, JAMA Network Open, 6(9), e2332968. DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2023.32968
  • Grov, C. et al. (2021) ‘Why are patients switching from tenofovir disoproxil fumarate/emtricitabine (Truvada) to tenofovir alafenamide/emtricitabine (Descovy) for PrEP?’, AIDS Patient Care and STDs, 35(8), pp. 307–311. DOI: 10.1089/apc.2021.0023
  • Centers for Disease Control and Prevention (CDC) (2021) Updated U.S. Public Health Service Clinical Practice Guideline for PrEP – Appendix on adolescents and special populations. MMWR Recomm Rep, 70(4), pp. 1–110.

Wir erklären Ihnen

 

 

 
×
 
Top