Navigations-Button: Hamburger-Menü
Symbol für die Suche

Ein unsichtbarer Schmerz, der das Leben verändert!

Es gibt Schmerzen, die laut und sichtbar sind – und es gibt Schmerzen, die im Verborgenen bleiben und trotzdem das ganze Leben bestimmen. Die Small-Fiber-Neuropathie gehört zu diesen leisen, aber gnadenlosen Erkrankungen. Oft beginnt alles mit etwas, das viele zunächst nicht ernst nehmen: ein leichtes Kribbeln an den Fußsohlen, ein Brennen an den Zehen, ein Gefühl, als würde etwas unter der Haut vibrieren.

Abstrakte medizinische Illustration: bekleidete Silhouette, von elektrischen Nervenimpulsen umgeben, vor positivem Farbverlauf – Thema Small-Fiber-Neuropathie Small-Fiber-Neuropathie – unsichtbare Nervenreizung, die den Körper in Flammen setzt

Doch aus diesem anfänglich unscheinbaren Symptom wird mit der Zeit ein ständiges, brennendes, stechendes oder elektrisierendes Gefühl. Besonders nachts werden diese Schmerzen stärker, weil nichts anderes mehr ablenkt. Und dennoch: Wer die betroffene Person ansieht, erkennt nichts. Keine Rötung, keine Schwellung, keine sichtbare Ursache. Genau diese Unsichtbarkeit macht die Small-Fiber-Neuropathie so belastend: Der Körper schreit, aber die Außenwelt hört ihn nicht.

Wenn winzige Fasern falsche Signale schicken

Die kleinen Nervenfasern liegen dicht unter der Haut und ziehen sich in feinen Netzen durch den ganzen Körper. Sie registrieren, ob etwas warm, kalt oder schmerzhaft ist, und sie geben diese Information an das Nervensystem weiter. Wenn diese Fasern geschädigt sind, funktioniert diese Weiterleitung nicht mehr richtig. Der Körper beginnt, harmlose Reize als schmerzhaft zu deuten. Ein Bettlaken kann sich plötzlich rau und aggressiv anfühlen, eine leichte Wärme wie Feuer, ein Luftzug wie ein Stich. Manche Betroffene haben das Gefühl, als ob die Haut brennt, obwohl sie kühl ist. Es ist, als würde der interne Alarmknopf klemmen und nicht mehr ausgehen. Diese dauernde Fehlmeldung erzeugt nicht nur körperlichen Schmerz, sondern auch eine dauernde innere Anspannung. Der Körper steht im Alarmmodus, obwohl keine Gefahr vorhanden ist.

Symptome, die den Alltag zerbröseln

Viele Betroffene können ziemlich genau sagen, wann es angefangen hat – nicht mit einem dramatischen Knall, sondern mit etwas scheinbar Harmlosen: einem leichten Kribbeln an den Füßen, einem Gefühl, als wäre die Socke verrutscht, als würde etwas über die Haut laufen. Am Anfang zuckt man mit den Schultern und denkt: „Wird schon weggehen.“ Aber es geht nicht weg. Das Kribbeln wird häufiger, bleibt länger, wird zum Brennen. Manche erzählen, es fühle sich an, als stünden sie auf heißem Sand oder auf einer Fußbodenheizung, die viel zu hoch gedreht ist. Andere beschreiben kurze, scharfe Impulse – wie miniaturisierte Stromstöße, die plötzlich durch Zehen oder Fußrücken schießen. Nichts davon sieht man außen. Aber innen ist da dieses ständige „Da ist etwas nicht in Ordnung“.

Mit der Zeit bleibt es nicht bei den Füßen. Die Schmerzen können langsam nach oben wandern – zuerst über die Knöchel, später die Unterschenkel hinauf. Bei manchen greifen sie irgendwann sogar auf die Hände über. Und dann wird es richtig alltagsrelevant: Plötzlich tut es weh, das Handy zu halten. Plötzlich ist das Laken auf der Haut zu viel. Plötzlich fühlen sich Schuhe, die man jahrelang problemlos getragen hat, an wie ein Korsett für die Füße. Die Haut reagiert über, wird berührungsempfindlich, als hätte man keinen Schutzmantel mehr. Was gesunde Menschen gar nicht bemerken – Windzug, Stoff, Bettwäsche – kann für Menschen mit Small-Fiber-Neuropathie wie Schmirgelpapier sein.

Besonders gemein ist, dass diese Beschwerden sich oft dann melden, wenn man eigentlich Ruhe bräuchte. Viele berichten: Tagsüber, wenn man in Bewegung ist oder abgelenkt, geht es halbwegs. Aber sobald man sich hinlegt, wenn das Haus leise wird, wenn die Gedanken langsamer werden – dann wird der Schmerz lauter. Er drängt nach vorne, brennt in den Füßen, kribbelt, pocht. Einige müssen die Füße aus dem Bett hängen lassen, andere die Decke wegklappen, weil selbst das Gewicht der Bettdecke zu viel ist. So wird aus einer Nervenerkrankung ganz schnell ein Schlafproblem. Und wer schlecht schläft, wird empfindlicher für Schmerz. Der Körper erholt sich nicht, die Nerven bekommen keine Pause – und schon sitzt man in einem Kreislauf aus Schmerz → Schlafmangel → noch mehr Schmerz → Erschöpfung.

Und als wäre das nicht genug, spielt bei manchen auch noch das vegetative Nervensystem verrückt – also der Teil, der eigentlich ganz automatisch regeln sollte, was das Herz schlägt, wie viel man schwitzt, wie der Blutdruck reagiert. Auf einmal schwitzt man bei leichter Anstrengung viel mehr oder gar nicht mehr. Man steht auf und alles wird schwarz vor Augen, weil der Blutdruck nicht schnell genug nachreguliert. Man bekommt Herzklopfen, obwohl man nur vom Sofa zur Küche gegangen ist. Oder der Magen macht, was er will: Durchfalltage wechseln sich mit Tagen voller Verstopfung ab. Dazu Augen, die plötzlich zu trocken sind. Für viele fühlt sich das an, als würde der Körper an lauter kleinen Stellen die Kontrolle verlieren.

Das Perfide daran: Diese Symptome passen auf den ersten Blick oft nicht zusammen. Brennende Füße – und Schwindel? Empfindliche Haut – und plötzlich kein Schweiß mehr? Magenprobleme – und gleichzeitig Stromgefühle in den Zehen? Genau das macht die Small-Fiber-Neuropathie so verwirrend und so belastend. Viele laufen von Facharzt zu Facharzt, weil jeder nur sein Organ sieht. Erst wenn jemand das Ganze als ein Bild betrachtet – die brennenden Schmerzen und die autonomen Aussetzer – ergibt es Sinn: Es sind dieselben kleinen Nervenfasern, die in Haut, Gefäßen, Drüsen und Organen sitzen und die nun gestört sind.

Bis zu dieser Erklärung leben viele Betroffene in einer Art Dauerzweifel: „Bilde ich mir das ein?“, „Kann das wirklich alles zusammenhängen?“, „Warum zeigt das kein Test?“ – und dieser Zweifel ist oft fast genauso schmerzhaft wie das Brennen selbst. Darum gehört zu den Symptomen der Small-Fiber-Neuropathie nicht nur das körperliche Feuer unter der Haut, sondern auch die seelische Erschöpfung, die entsteht, wenn ein unsichtbarer Schmerz immer wieder erklärt werden muss. Der Alltag bröckelt nicht nur, weil Gehen, Arbeiten, Schlafen schwerer wird – er bröckelt auch, weil man sich unverstanden fühlt. Und genau deshalb ist eine klare Diagnose für viele wie ein erstes Pflaster: Sie nimmt den Beschwerden nicht die Stärke – aber sie nimmt ihnen das Rätselhafte.

Warum die Diagnose oft so spät gestellt wird

Ein großes Problem bei der Small-Fiber-Neuropathie ist, dass die üblichen neurologischen Standardtests oft unauffällig sind. Die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (ENG) und auch die Elektromyografie (EMG) untersuchen vor allem die großen Nervenfasern. Da diese bei der Small-Fiber-Neuropathie in der Regel intakt bleiben, wirken diese Untersuchungen „normal“. Viele Betroffene stehen dann vor dem Rätsel: Der Schmerz ist da, aber die Untersuchungen zeigen nichts. Nicht selten wird ihnen darum gesagt, es sei „nichts zu finden“ oder der Schmerz sei „stressbedingt“. Das ist für die Betroffenen doppelt verletzend, weil es ihren sehr realen Schmerz in Frage stellt.

Die eigentliche Diagnostik der Small-Fiber-Neuropathie erfordert andere Methoden. Sehr wichtig ist die Hautbiopsie. Dabei wird ein kleines Stück Haut entnommen, meist am Unterschenkel oder am Oberschenkel. Dieses Gewebe wird im Labor angefärbt, und unter dem Mikroskop kann die Dichte der kleinen Nervenfasern gezählt werden. Ist sie vermindert, spricht das eindeutig für eine Small-Fiber-Neuropathie. Ergänzend können sogenannte quantitative Sensibilitätsprüfungen durchgeführt werden, bei denen getestet wird, wie stark oder schwach die Haut auf Temperatur- und Schmerzreize reagiert. In spezialisierten Zentren werden außerdem autonome Funktionstests gemacht, um zu sehen, ob auch die vegetativen Nerven betroffen sind. Erst die Kombination aus detaillierter Krankengeschichte, typischen Symptomen und diesen spezifischen Untersuchungen erlaubt eine sichere Diagnose.

Ursachen – viele Wege führen zu brennenden Nerven

Die Small-Fiber-Neuropathie ist nicht eine Erkrankung mit nur einem Auslöser. Vielmehr ist sie das Ergebnis sehr unterschiedlicher Prozesse, die am Ende dasselbe bewirken: die Schädigung der kleinen Nervenfasern. Eine sehr häufige Ursache ist der Diabetes mellitus. Ein dauerhaft erhöhter Blutzucker greift die feinen Nervenendigungen an, vor allem dort, wo sie am weitesten vom Körperstamm entfernt sind – an den Füßen und Händen. Deshalb sollte bei jeder diagnostizierten Small-Fiber-Neuropathie immer geprüft werden, ob ein Diabetes oder eine gestörte Glukosetoleranz vorliegt.

Auch Autoimmunerkrankungen können eine Small-Fiber-Neuropathie auslösen. Beim Sjögren-Syndrom, beim systemischen Lupus erythematodes oder bei Zöliakie kann das Immunsystem körpereigene Strukturen angreifen – manchmal auch die kleinen Nervenfasern. In diesen Fällen ist die Neuropathie sozusagen ein Nebenschauplatz einer übergeordneten Entzündungserkrankung. Wird diese behandelt, bessern sich oft auch die Nervenschmerzen. Weitere mögliche Ursachen sind Virusinfektionen, toxische Schädigungen durch Alkohol oder bestimmte Medikamente, Chemotherapien, schwere Vitaminmängel – vor allem an Vitamin B12 – oder erbliche Faktoren. In etwa der Hälfte der Fälle allerdings bleibt die Ursache unklar. Dann spricht man von einer idiopathischen Small-Fiber-Neuropathie. Das bedeutet: Die Nervenschädigung ist real und nachweisbar, aber der Auslöser lässt sich nicht finden. Gerade diese Form ist für Betroffene psychisch schwer, weil sie keine greifbare Erklärung haben und dennoch mit täglichen Schmerzen leben müssen.

Eine besondere Form der Polyneuropathie – nicht Fibromyalgie

Medizinisch wird die Small-Fiber-Neuropathie als spezielle Unterform der Polyneuropathien eingeordnet. Polyneuropathien sind Erkrankungen der peripheren Nerven, also jener Nerven, die außerhalb von Gehirn und Rückenmark liegen. Bei den klassischen Formen sind meist die großen Nervenfasern betroffen, die für Motorik, Koordination und grobe Berührung zuständig sind. Bei der Small-Fiber-Neuropathie ist es anders: Hier sind ausschließlich die kleinsten Nervenfasern geschädigt – die sogenannten Aδ- und C-Fasern. Diese winzigen Leitungsbahnen haben jedoch eine enorme Bedeutung, denn sie übermitteln Schmerz, Temperatur und Teile des vegetativen Nervensystems, also zum Beispiel Schweißbildung, Herzrhythmus und Blutdruckregulation.

Damit ist die Small-Fiber-Neuropathie klar neurologisch einzuordnen – sie gehört zu den Polyneuropathien und nicht zu den zentralen Schmerzsyndromen. Sie ist auch nicht identisch mit der Fibromyalgie. Zwar können die Beschwerden ähnlich sein, weil auch bei der Fibromyalgie Brennen, Missempfindungen und ein Überreiztsein des Körpers auftreten. Doch bei der Fibromyalgie liegt die Störung vor allem in der Schmerzverarbeitung im Gehirn. Die Nerven an sich sind meist nicht geschädigt. Bei der Small-Fiber-Neuropathie dagegen sind die Nervenenden selbst angegriffen oder vermindert. Es gibt Überschneidungen: Studien zeigen, dass ein Teil der Fibromyalgie-Betroffenen ebenfalls eine reduzierte Dichte kleiner Nervenfasern aufweist. Trotzdem gilt: Die Small-Fiber-Neuropathie ist eine eigene, diagnostisch fassbare Form der peripheren Neuropathie.

Therapie – zwischen Schmerz, Hoffnung und der Suche nach Kontrolle

Eine vollständige Heilung der Small-Fiber-Neuropathie ist nach heutigem Stand selten möglich. Trotzdem ist der Zustand nicht hoffnungslos. Die Behandlung folgt einem klaren Gedanken: Alles, was die Nerven weiter schädigen könnte, wird so gut wie möglich reduziert, und alles, was den Schmerz erträglicher machen kann, wird genutzt. Im ersten Schritt gehört dazu immer die Behandlung der Grunderkrankung. Wenn ein Diabetes vorliegt, muss der Blutzucker so eingestellt werden, dass die Nerven nicht weiter angegriffen werden. Wenn eine Autoimmunerkrankung im Hintergrund steht, kann es sinnvoll sein, das Immunsystem zu bremsen und die Entzündungsaktivität zu senken. Wenn ein Vitaminmangel die Ursache ist, wird dieser ausgeglichen. Diese Schritte sind wichtig, weil sie den Prozess verlangsamen können. Aber sie nehmen den bestehenden Schmerz nicht immer weg – vor allem dann nicht, wenn die Nerven schon geschädigt sind.

Deshalb rückt in vielen Fällen die Linderung der Symptome in den Mittelpunkt. Hier kommen Medikamente zum Einsatz, die speziell bei neuropathischen Schmerzen wirken. Sie verändern nicht das geschädigte Nervengewebe, aber sie können die Weiterleitung der Schmerzsignale abschwächen und dem Gehirn helfen, den Schmerz nicht mehr so aggressiv zu registrieren. Wirkstoffe wie Gabapentin, Pregabalin, Duloxetin oder Amitriptylin sind dafür typische Beispiele. Sie wirken nicht bei jedem gleich stark, und oft braucht es Geduld, bis das passende Mittel oder die passende Kombination gefunden ist. Doch wenn sie wirken, schenken sie etwas sehr Wertvolles: eine Nacht mit weniger Schmerzen, einen Tag mit weniger Brennen, ein Stück Normalität.

Zur Therapie gehört auch das, was man nicht in Tabletten fassen kann. Sanfte Bewegung hilft, den Körper nicht in eine Schonhaltung zu treiben, die am Ende alles schlimmer macht. Wärme kann beruhigen, Kälte kann kurzfristig dämpfen – viele Betroffene entwickeln hier sehr individuelle Strategien. Entspannungsverfahren, Atemübungen, Achtsamkeit oder auch verhaltenstherapeutische Angebote können helfen, den ständigen Alarmzustand des Nervensystems zu durchbrechen. Es geht nicht darum, die Krankheit „wegzudenken“, sondern darum, wieder Einfluss auf das eigene Erleben zu gewinnen. Wer merkt, dass er trotz Schmerzen gestalten kann, nimmt dem Schmerz einen Teil seiner Macht.

Sehr wichtig ist außerdem die ärztliche und menschliche Begleitung. Menschen mit Small-Fiber-Neuropathie brauchen Ärztinnen und Ärzte, die ihnen glauben, auch wenn Standardtests unauffällig waren. Sie brauchen eine langfristige Ansprechperson, die Therapien anpasst, die Entwicklung beobachtet und auch seelische Belastungen sieht. Chronischer Schmerz macht müde, misstrauisch und manchmal hoffnungslos. Eine Therapie, die das nicht berücksichtigt, bleibt unvollständig. Eine Therapie, die körperliche und seelische Ebenen gleichermaßen ernst nimmt, kann dagegen Lebensqualität zurückbringen – auch wenn die Nerven nicht mehr gesund werden.

Leben mit einer unsichtbaren Erkrankung

Mit einer Small-Fiber-Neuropathie zu leben bedeutet, jeden Tag mit einem Gegner zu rechnen, der nicht sichtbar ist. Viele Betroffene müssen erklären, warum sie erschöpft sind, warum sie nachts kaum schlafen, warum sie Berührung meiden oder plötzlich Schuhe nicht mehr ertragen. Wer diese Krankheit nicht kennt, hält das manchmal für Überempfindlichkeit. Genau deshalb ist Aufklärung so wichtig. Die Small-Fiber-Neuropathie ist keine Einbildung, kein „Stress“, keine psychische Verstimmung – sie ist eine klar fassbare, neurologische Erkrankung der kleinen Nervenfasern. Wer das weiß, kann besser mit ihr leben. Und wer ihr begegnet, kann besser unterstützen.

Auch wenn der Schmerz bleibt, bleibt zugleich die Möglichkeit, sich mit ihm zu arrangieren. Manche Menschen finden Halt in festen Tagesstrukturen. Andere entdecken, dass sie wieder besser schlafen, wenn die Abende ruhiger werden. Wieder andere profitieren von Selbsthilfegruppen oder dem Austausch mit Menschen, die dasselbe durchmachen. Unsichtbare Krankheiten brauchen sichtbare Worte – nur so verlieren sie ihren Schrecken. Und manchmal ist das Wichtigste nicht das Medikament, sondern der Satz: „Ich glaube Ihnen.“

Wir erklären Ihnen

 

Visite-Medizin auf WhatsA

Visite-Medizin: Sie haben Fragen? Wir antworten!

Aktuelle Studien auf Visite-Medizin

Heilpflanzen bei Polyneuropathie

 

 
×
 
Top