Azathioprin ist ein Immunsuppressivum, das zur Behandlung verschiedener Autoimmunerkrankungen, wie Morbus Crohn und rheumatoider Arthritis, eingesetzt wird. In einigen Fällen wird es auch bei Multiple Sklerose (MS) verwendet, jedoch ist es nicht die erste Wahl. Der Einsatz von Azathioprin bei MS ist in den letzten Jahren zurückgegangen, da spezifischere und wirksamere Therapien entwickelt wurden. Doch warum wird Azathioprin in den meisten Leitlinien für MS nicht als primäre Therapieoption empfohlen?
Die Rolle von Azathioprin bei der Behandlung von MS
Azathioprin wirkt, indem es die Aktivität des Immunsystems unterdrückt. Bei MS, einer Erkrankung, bei der das Immunsystem die Myelinschicht der Nervenzellen angreift, kann eine solche Wirkung grundsätzlich von Vorteil sein. Jedoch haben sich in den letzten Jahrzehnten spezifischere Disease-Modifying Therapies (DMTs) wie Interferon-beta, Glatirameracetat, Fingolimod und Ocrelizumab als wirksamer und zielgerichteter erwiesen. Diese DMTs bieten nicht nur eine bessere Kontrolle über die Krankheitsaktivität, sondern haben auch klinisch besser dokumentierte Langzeitergebnisse.
Azathioprin wird oft dann in Betracht gezogen, wenn diese moderneren Medikamente nicht verfügbar sind, beispielsweise in Ländern mit begrenztem Zugang zu den neueren, teureren DMTs. Auch wenn Azathioprin als kostengünstige Alternative eine Rolle spielen kann, gilt es in der westlichen medizinischen Praxis häufig als "Notlösung" und weniger als gleichwertige Therapieoption.
Erhöhtes Krebsrisiko durch Azathioprin
Ein wesentliches Argument gegen den Einsatz von Azathioprin bei MS ist das erhöhte Risiko für bestimmte Krebserkrankungen. Langfristige Einnahme von Azathioprin ist mit einem höheren Risiko für Hautkrebs und Lymphome verbunden. Studien zeigen, dass eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin die Abwehr gegen entartete Zellen schwächt, was zu einer erhöhten Krebsgefahr führen kann. Besonders das Risiko für Non-Hodgkin-Lymphome ist im Vergleich zu anderen, spezifischeren MS-Medikamenten erhöht.
Diese Risiken sind in der Abwägung besonders relevant, da viele der moderneren MS-Therapien eine ähnliche oder sogar bessere Wirksamkeit aufweisen, jedoch mit einem geringeren Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen verbunden sind. Gerade deshalb wird in den aktuellen Leitlinien und Empfehlungen Azathioprin meist nicht als primäre Therapieoption für MS aufgeführt, sondern nur als Alternative, wenn keine anderen Optionen zur Verfügung stehen oder wenn Patienten spezifische DMTs nicht vertragen.
Kritisches Fazit
Azathioprin hat in der Behandlung von MS zwar eine lange Geschichte, sollte jedoch im heutigen medizinischen Kontext mit Vorsicht verwendet werden. Es ist nicht die erste Wahl, da die neueren, speziell für MS entwickelten DMTs eine bessere Wirksamkeit und eine gezieltere Wirkung auf die Krankheitsmechanismen bieten. Darüber hinaus stellt das erhöhte Krebsrisiko einen wesentlichen Nachteil von Azathioprin dar, der im Vergleich zu moderneren Medikamenten erheblich ins Gewicht fällt.
In Anbetracht dieser Tatsachen sollte Azathioprin vor allem in Situationen in Betracht gezogen werden, in denen moderne Therapien nicht zugänglich sind, etwa in Ländern mit eingeschränkten Ressourcen. Patienten, die Azathioprin in Erwägung ziehen, sollten dies in enger Absprache mit einem Neurologen tun und sich umfassend über mögliche Risiken informieren. So kann sichergestellt werden, dass sie die für ihre individuellen Bedürfnisse am besten geeignete Therapie erhalten.
Quellen
- Multiple Sclerosis International Federation. MOLT Public Consultation Summary: Off-Label Azathioprine for MS
- Cochrane Collaboration. Azathioprine for people with multiple sclerosis