Navigations-Button: Hamburger-Menü
Symbol für die Suche

Es gibt einen Moment, den viele mit Long Covid sehr genau kennen: Man sitzt da, vielleicht am Tisch, vor dem Computer oder auf dem Sofa, und merkt plötzlich, dass der eigene Kopf nicht mehr so funktioniert wie früher. Gedanken fühlen sich schwer an, als müssten sie sich durch zähen Nebel kämpfen.

Silhouette einer Frau mit langem Haar, um ihren Kopf zieht sich ein weißer Nebel vor einem Farbverlauf von Blau über Magenta zu Orange und Gelb – Symbol für Brain Fog bei Long Covid.
Long Covid, der unsichtbare Nebel in meinem Kopf – wie Long Covid mein Denken und Leben lähmt.

Ein Wort, das eben noch da war, ist plötzlich verschwunden. Ein Plan, der sich klar angefühlt hat, bricht mitten im Denken auseinander.

Long Covid ist nicht nur die Müdigkeit im Körper, die Atemnot oder die schnelle Erschöpfung nach Belastung. Es ist auch dieser unsichtbare Nebel im Kopf, der alles verlangsamt und verzerrt. Er nimmt das Gefühl von Klarheit, von Sicherheit und von Kontrolle über den eigenen Geist. Viele Menschen beschreiben es so: Sie wissen, dass sie nicht „dumm geworden“ sind, und doch kommen sie an ihre Fähigkeiten nicht mehr so heran wie früher. Es fühlt sich an, als läge etwas zwischen ihnen und ihrem Denken.

Dieser Nebel ist kein Bild und keine Übertreibung. Er ist eine reale, quälende Erfahrung. Und er kann innerlich fertig machen, weil er genau das angreift, was bisher selbstverständlich war: Gedächtnis, Konzentration, Organisation und die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen. Wenn das Denken selbst mühsam wird, gerät das ganze Leben ins Wanken.

Wie sich der Nebel im Kopf wirklich anfühlt

Der kognitive Nebel bei Long Covid ist etwas anderes als normale Müdigkeit nach einem langen Tag. Früher war es vielleicht möglich, sich anzustrengen, eine Pause zu machen und danach wieder halbwegs klar zu denken. Jetzt reicht oft eine kleine Belastung, und das Gehirn wirkt überfordert.

Es kann passieren, dass der Faden mitten im Satz verloren geht. Man weiß noch, worüber man sprechen wollte, aber die Worte kommen nicht mehr geordnet heraus. Man ist mitten in einer Aufgabe und merkt plötzlich, dass man nicht mehr weiß, welchen Schritt man als Nächstes tun wollte. Dinge, die früher automatisch liefen – eine E-Mail schreiben, einen einfachen Text lesen, etwas planen – fühlen sich auf einmal so an, als müsste man sie zum ersten Mal im Leben verstehen.

Viele Betroffene berichten, dass sie Gesprächen kaum noch folgen können, besonders wenn mehrere Personen reden oder wenn nebenbei andere Reize da sind, etwa Geräusche, Musik oder Bewegungen. Man sitzt äußerlich ruhig da, aber innerlich kämpft man darum, die Worte zu sortieren und den Sinn zu behalten. Das ist anstrengend auf eine Weise, die kaum jemand nachvollziehen kann, der das selbst nicht erlebt hat.

Dazu kommt häufig das Gefühl, in Watte zu leben. Der Alltag ist sichtbar, Aufgaben und Routinen sind bekannt, und trotzdem wirken sie unerreichbar. Es ist, als würde man hinter einer Glasscheibe stehen und zusehen, ohne wirklich hineinkommen zu können. Diese Distanz zum eigenen Leben kann bedrückend sein und eine besondere Form von Traurigkeit auslösen, weil man spürt, was man tun möchte – und doch nicht kann.

Was medizinisch hinter dem „Brain Fog“ steckt

So subjektiv und schwer fassbar sich der Nebel im Kopf anfühlt, er ist nicht eingebildet. Er hat körperliche Ursachen. Long Covid kann dazu führen, dass das Immunsystem über längere Zeit aktiv bleibt und Entzündungsprozesse im Körper und im Nervensystem unterhält. Das kann Bereiche im Gehirn betreffen, die für Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Konzentration und Reizverarbeitung zuständig sind.

Hinzu kommt, dass bei vielen Betroffenen der Energiestoffwechsel gestört ist. Das Gehirn gehört zu den Organen mit dem höchsten Energiebedarf. Wenn die Versorgung mit Energie nicht zuverlässig funktioniert, fühlt sich Denken plötzlich an wie Schwerstarbeit. Aufgaben, die früher nebenbei erledigt wurden, verlangen nun so viel Kraft, dass danach kaum noch Energie für andere Dinge bleibt.

Untersuchungen deuten außerdem darauf hin, dass sich bei manchen Menschen die Durchblutung im Gehirn verändert. Bestimmte Regionen können zeitweise weniger Sauerstoff und Nährstoffe erhalten. Das kann dazu führen, dass man sich verlangsamt, benommen oder innerlich „zu langsam“ fühlt, selbst in Situationen, die früher keinerlei Probleme bereitet haben.

All diese Prozesse zusammen ergeben das, was Betroffene als „Brain Fog“ beschreiben. Es ist wichtig zu betonen: Dieser Nebel ist kein Zeichen von Einbildung oder mangelnder Willenskraft. Er ist Ausdruck einer realen körperlichen Erkrankung, die ernst genommen werden muss.

Wenn der eigene Verstand plötzlich unsicher wird

Besonders belastend ist, dass Long Covid nicht nur einzelne Fähigkeiten einschränkt, sondern das Vertrauen in den eigenen Verstand erschüttert. Vor der Erkrankung war das Gehirn vielleicht der verlässlichste Teil des Lebens. Man konnte sich darauf verlassen, dass das Gedächtnis funktioniert, dass Aufgaben im Griff sind und dass Entscheidungen klar getroffen werden können.

Mit Long Covid kann dieses Grundgefühl wegfallen. Termine werden vergessen, obwohl man früher sehr zuverlässig war. Einfache Zusammenhänge müssen mühsam Schritt für Schritt erarbeitet werden, obwohl man früher komplexe Probleme gelöst hat. Es kann passieren, dass man sich nicht mehr traut, mehrere Aufgaben an einem Tag zu planen, weil die Angst groß ist, dass der Kopf mitten drin „aussteigt“.

Das ist mehr als ein Ärgernis. Es kann an die eigene Identität gehen. Viele Menschen empfinden Intelligenz, berufliche Fähigkeiten oder geistige Beweglichkeit als wichtigen Teil ihres Selbstbildes. Wenn diese Bereiche plötzlich schwächeln, entsteht leicht der Eindruck, man habe sich selbst verloren. Die Frage, ob man je wieder dorthin zurückkommt, wo man einmal war, drängt sich auf und begleitet viele Betroffene wie ein ständiger Schatten.

Diese Sorgen sind nachvollziehbar. Sie machen deutlich, dass der Nebel im Kopf nicht nur ein medizinisches Symptom ist, sondern ein tiefes seelisches Thema, das das ganze Leben mitprägt.

Die unsichtbare Krankheit – und das Missverständnis von außen

Long Covid hat eine bittere Eigenschaft: Vieles davon ist von außen kaum sichtbar. Es gibt keinen Gips, keine offensichtliche Wunde, keine klar erkennbare Behinderung. Für viele wirkt es so, als wäre jemand „doch wieder gesund“, weil er arbeiten geht, einkauft oder äußerlich normal erscheint.

Der Nebel im Kopf ist jedoch unsichtbar. Außenstehende sehen nur, dass jemand langsamer reagiert, Dinge vergisst oder Zusagen nicht einhalten kann, weil die eigene Kraft überschätzt wurde. Manche reagieren mit Ungeduld, mit Unverständnis oder sogar mit Vorwürfen. Sie vermuten Desinteresse, Bequemlichkeit oder fehlenden Willen.

Das Problem ist: Während Betroffene wissen, wie sehr sie kämpfen, bekommen sie von außen häufig Signale, die diesen Kampf kleinreden. Das kann dazu führen, dass sie beginnen, an sich selbst zu zweifeln. Die Frage taucht auf, ob vielleicht doch übertrieben wird, ob man sich „mehr zusammenreißen“ müsste oder ob man einfach nicht stark genug ist.

In Wahrheit ist das Gegenteil richtig. Allein der Versuch, mit diesem Nebel zu leben und den Alltag dennoch zu bewältigen, ist eine enorme Leistung. Es ist wichtig, das auszusprechen und anzuerkennen, um nicht zusätzlich in Schuldgefühle und Selbstverurteilung abzurutschen.

Die psychische Belastung – Trauer, Wut und die Angst, dass es so bleibt

Der Nebel im Kopf belastet nicht nur in den Momenten, in denen er besonders dicht ist. Er wirkt nach und verändert den Blick in die Zukunft. Viele Betroffene erleben Phasen tiefer Traurigkeit, weil sie das Gefühl haben, ein Stück ihres alten Lebens verloren zu haben. Dinge, die früher selbstverständlich waren – spontane Treffen, konzentriertes Arbeiten, das Lesen eines Buches oder die Freude an langen Gesprächen – sind plötzlich nur noch eingeschränkt möglich.

Es ist normal, darüber zu trauern. Es ist normal, wütend zu sein. Wütend auf die Krankheit, auf das Virus, auf die Situation, vielleicht auch auf medizinische Strukturen, in denen man sich nicht immer ausreichend gesehen und verstanden fühlt. Diese Gefühle sind kein Zeichen von Undankbarkeit, sondern Ausdruck davon, wie sehr einem das eigene Leben und die eigene Selbstständigkeit am Herzen liegen.

Hinzu kommt oft die Angst vor der Zukunft. Die Frage, wie lange das alles noch dauern soll, drängt sich immer wieder auf. Viele sorgen sich darum, ob sie ihre Arbeit langfristig schaffen, wie sich das Familienleben entwickeln wird und ob sie jemals wieder an die alte Leistungsfähigkeit herankommen. Diese Angst sitzt häufig im Hintergrund, selbst an besseren Tagen.

Wichtig ist zu verstehen: Diese psychische Last entsteht nicht, weil jemand zu sensibel oder zu schwach ist. Sie entsteht, weil hier etwas erlebt wird, das an die Grenzen dessen geht, was ein Mensch über längere Zeit ertragen kann. Es ist legitim, darüber verzweifelt, müde oder traurig zu sein – und es ist genauso legitim, sich Unterstützung zu holen.

Alltag mit Long Covid – jeder Schritt will eingeteilt werden

Ein Leben mit Long Covid bedeutet oft, jeden Tag neu planen zu müssen. Es ist schwer, sich darauf zu verlassen, dass morgen genauso viel Kraft und geistige Klarheit vorhanden ist wie heute. Viele sind gezwungen, ihre Aktivitäten genau zu begrenzen und Prioritäten streng zu setzen, manchmal bis ins kleinste Detail.

Es kann sein, dass eine einzige Aufgabe am Vormittag genügt, um sich für den Rest des Tages geistig erschöpft zu fühlen. Eine kurze Autofahrt, ein Besuch oder ein Gespräch mit mehreren Personen kann dazu führen, dass danach kaum noch ein klarer Gedanke möglich ist. Dann bleibt nur Rückzug, Ruhe und die Hoffnung, dass sich der Nebel wieder etwas lichtet.

Das ist kein bequemes Zurücklehnen, sondern ein ständiges Austarieren von Belastung und Erholung. Viele fühlen sich in diesem Spannungsfeld gefangen. Wenn sie zu viel tun, verschlechtert sich der Zustand. Wenn sie zu wenig tun, wächst die Sorge, völlig aus dem normalen Leben herauszufallen.

In dieser Situation einen Weg zu finden, der den Körper nicht überfordert und gleichzeitig die Seele nicht vereinsamen lässt, ist eine große Herausforderung. Sie verlangt viel Geduld, Selbstbeobachtung und oft auch die Bereitschaft, Hilfe anzunehmen und alte Vorstellungen von Leistung und Tempo zu hinterfragen.

Beziehungen unter Druck – wenn andere den Nebel nicht sehen

Long Covid betrifft nicht nur den Menschen, der erkrankt ist, sondern auch sein Umfeld. Der Nebel im Kopf verändert, wie kommuniziert wird, wie man sich einbringt und wie man reagiert. Viele sind schneller überfordert, vergessen Absprachen oder ziehen sich zurück, weil sie nicht mehr so viel Reiz und Aktivität aushalten.

Für nahestehende Menschen kann das schwer zu verstehen sein. Sie sehen jemanden, der äußerlich „okay“ wirkt, und erleben gleichzeitig jemanden, der sich anders verhält als früher. Wenn Informationen und Verständnis fehlen, entstehen leicht Missverständnisse. Rückzug kann als Ablehnung verstanden werden, stille Erschöpfung als Desinteresse.

Es kann sehr helfen, wenn – soweit es die Kraft erlaubt – erklärt wird, was im Inneren passiert. Ein einfacher Satz kann ein Anfang sein, etwa: „Ich möchte gern, aber mein Kopf kann gerade nicht mehr.“ Oder: „Es liegt nicht an dir, dass ich still bin, der Nebel ist gerade sehr dicht.“ Manchmal ist es sinnvoll, Informationen schriftlich festzuhalten oder ärztliche Erklärungen weiterzugeben, damit nicht alles am eigenen Erzählen hängt.

Ein Umfeld, das bereit ist zuzuhören und zu lernen, kann zu einer großen Stütze werden. Und es ist erlaubt zu erwarten, dass Menschen, denen man wichtig ist, nicht nach dem ersten Versuch aufgeben, sondern versuchen, diesen unsichtbaren Teil der Erkrankung zu verstehen.

Warum Hoffnung nicht naiv ist – auch wenn sie sich weit entfernt anfühlt

Bei einer Erkrankung wie Long Covid wirkt das Wort „Hoffnung“ manchmal fremd. Besonders dann, wenn der Nebel im Kopf schon viele Monate das Leben prägt und das Gefühl entsteht, auf der Stelle zu treten. Es kann sogar verletzend sein, wenn Menschen leicht dahinsagen, man müsse nur „positiv denken“.

Trotzdem ist es wichtig zu wissen, dass sich bei vielen Betroffenen im Laufe der Zeit Veränderungen zeigen. Diese Veränderungen sind selten spektakulär. Es sind oft kleine Verbesserungen, die sich erst im Rückblick als Fortschritt erkennen lassen. Vielleicht hält die Konzentration heute ein paar Minuten länger als noch vor einigen Monaten. Vielleicht braucht es nach einer bestimmten Aktivität etwas weniger Erholungszeit. Vielleicht gibt es kurze Phasen am Tag, in denen sich der Kopf wieder ein Stück mehr nach „einem selbst“ anfühlt.

Solche Signale sind wertvoll. Sie sagen nicht, dass alles wieder genau so wird wie früher. Aber sie zeigen, dass im Körper etwas in Bewegung ist und dass nicht alles Stillstand bedeutet. Hoffnung heißt in diesem Zusammenhang nicht, sich selbst etwas vorzumachen. Hoffnung bedeutet, die Möglichkeit von Veränderung offen zu halten, ohne sich zu zwingen, ständig gut gelaunt oder optimistisch zu sein.

Es ist erlaubt, müde zu sein und trotzdem darauf zu vertrauen, dass sich Dinge im Hintergrund langsam verschieben können. Es ist erlaubt, zu zweifeln und dennoch einen kleinen Rest Zuversicht zu behalten, dass Gehirn, Körper und Seele Wege finden, mit der Zeit wieder mehr Klarheit, mehr Energie und mehr Sicherheit zu gewinnen.

Quellen, Leitinien & Studien
  • Balint, E., Feng, E., Giles, E. C., Ritchie, T. M., Qian, A. S., Vahedi, F., Montemarano, A., Portillo, A. L., Monteiro, J. K., Trigatti, B. L., Ashkar, A. A., et al. (2024). Bystander activated CD8+ T cells mediate neuropathology during viral infection via antigen-independent cytotoxicity. Nature Communications, 15, Article 896. https://doi.org/10.1038/s41467-023-44667-0
  • S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP): S1-Leitlinie Long-/Post-COVID. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 020/027: register.awmf.org (Stand: 03/2023, Abruf: 07.02.2024)
  • Online-Informationen des Pschyrembel: Long Covid: pschyrembel.de (Abruf: 07.02.2024)
  • Douaud, G., Lee, S., Alfaro-Almagro, F., Arthofer, C., Wang, C., McCarthy, P., Lange, F., Andersson, J. L. R., Griffanti, L., Duff, E., Jbabdi, S., Taschler, B., Keating, P., Winkler, A. M., Collins, R., Matthews, P. M., Allen, N., Miller, K. L., Nichols, T. E., Smith, S. M., & weitere Autoren. (2022). SARS-CoV-2 is associated with changes in brain structure in UK Biobank. Nature, 604, 697–707. https://doi.org/10.1038/s41586-022-04569-5
  • Chris Greene, Ruairi Connolly, Declan Brennan, Aoife Laffan, Eoin O’Keeffe, Lilia Zaporojan, Jeffrey O’Callaghan, Bennett Thomson, Emma Connolly, Ruth Argue, Ignacio Martin-Loeches, Aideen Long, Cliona Ni Cheallaigh, Niall Conlon, Colin P. Doherty & Matthew Campbell. Blood–brain barrier disruption and sustained systemic inflammation in individuals with long COVID-associated cognitive impairment. Nature Neuroscience


Wir erklären Ihnen

 

Visite-Medizin auf WhatsA

Visite-Medizin: Sie haben Fragen? Wir antworten!

Aktuelle Studien auf Visite-Medizin

Heilpflanzen bei Krebs

 

 
×
 
Top