Esketamin ist ein innovatives Medikament, das speziell für Patienten mit therapieresistenter Depression entwickelt wurde. Für viele Menschen, die seit Jahren gegen diese schwere Erkrankung kämpfen, fühlt es sich an, als würde mit jeder vergehenden Stunde ein weiteres Stück Hoffnung verblassen. Depression ist nicht einfach nur eine Phase der Traurigkeit oder eine schlechte Stimmung, sondern eine tiefe, zermürbende Erschöpfung der Seele, die sich in jedem Gedanken, jedem Gefühl und jedem noch so kleinen Moment des Alltags widerspiegelt.
Wer über Jahre hinweg gegen eine Depression kämpft, die auf keine herkömmliche Behandlung anspricht, kennt das Gefühl der Verzweiflung. Die unzähligen Versuche, Linderung zu finden – Medikamente, Psychotherapie, neue Ansätze, alternative Heilmethoden – enden oft in einer Welle der Frustration. Denn wenn nichts mehr hilft, wenn nichts die Dunkelheit vertreibt, bleibt nur die Frage: Gibt es überhaupt noch einen Ausweg?
Für einige Menschen bietet Esketamin genau diesen Ausweg. Es ist kein gewöhnliches Antidepressivum. Es wirkt nicht über Wochen, sondern innerhalb von Stunden. Es verändert nicht nur die biochemischen Prozesse im Gehirn, sondern auch die Wahrnehmung für eine kurze Zeit. Es ist nicht einfach nur eine Tablette, die man schluckt und hofft, dass sie wirkt – Esketamin ist eine Erfahrung, eine Reise in eine andere Art des Fühlens und Denkens.
Doch wie fühlt sich das an? Was passiert im Körper und Geist während der Einnahme? Ist es eine Erleichterung oder eher eine verstörende Erfahrung? Dieser Artikel begleitet Sie auf dieser Reise – von den ersten Minuten nach der Verabreichung bis hin zu den Tagen nach der Sitzung, in denen sich die eigentliche Heilwirkung entfaltet.
Der Moment der Einnahme – Ein erster Bruch mit der Dunkelheit
Die Behandlung beginnt in einem geschützten, ruhigen Raum. Es ist ein Ort, der Sicherheit vermittelt, ein Ort, an dem die Außenwelt für eine Weile in den Hintergrund rückt. Die Patienten sitzen oder liegen entspannt, manchmal auf einer bequemen Liege, umgeben von gedämpftem Licht und einer Atmosphäre der Ruhe. Vielleicht erklingt leise Musik im Hintergrund, vielleicht ist es einfach nur die beruhigende Stille, die den Raum erfüllt.
Ein Arzt oder eine Pflegekraft erklärt noch einmal den Ablauf der Sitzung. Kein Patient muss diesen Weg allein gehen – die medizinischen Fachkräfte bleiben während der gesamten Zeit anwesend, beobachten aufmerksam, greifen ein, wenn es nötig ist, und geben Halt, falls Unsicherheit oder Ängste aufkommen. Sie wissen, dass für viele Patienten dieser Moment nicht nur medizinisch bedeutsam ist, sondern auch emotional eine große Last mit sich bringt.
Dann kommt der eigentliche Moment: Das Esketamin-Nasenspray wird verabreicht. Es ist nur ein kurzer Vorgang, eine kleine Geste – aber sie trägt eine enorme Bedeutung. Denn mit diesem Schritt beginnt für viele Patienten die Hoffnung, dass sich endlich etwas verändert.
Zunächst passiert scheinbar nichts. Einige Patienten berichten, dass sie sich ungeduldig oder angespannt fühlen. Sie warten darauf, dass etwas geschieht, spüren in ihren Körper hinein, beobachten jede kleinste Veränderung. Manche haben Angst – nicht vor dem Medikament selbst, sondern vor dem Gedanken, dass auch dieser Versuch scheitern könnte. Dass selbst dieses Mittel nicht helfen wird. Dass es wieder nur ein weiterer enttäuschender Moment in einer langen Reihe von vergeblichen Behandlungen sein wird.
Doch dann, nach fünf bis zehn Minuten, setzt eine Veränderung ein.
Es beginnt oft ganz subtil. Eine leichte Entspannung durchströmt den Körper, eine sanfte Welle, die sich ausbreitet, erst in den Schultern, dann in den Armen, bis hinunter zu den Fingerspitzen. Manche Patienten berichten von einem sanften Kribbeln, andere von einem warmen, beruhigenden Gewicht, das sich über sie legt – als ob jemand eine weiche Decke um ihre erschöpfte Seele gewickelt hätte.
Für viele fühlt es sich an, als würde sich eine unsichtbare Hand auf ihre Brust legen und den Druck, der dort so lange gewogen hat, ganz vorsichtig wegnehmen. Es ist ein Moment, der schwer in Worte zu fassen ist – eine Mischung aus Erleichterung und vorsichtiger Hoffnung.
Und dann verändert sich auch der Geist. Die Gedanken, die sich zuvor rastlos in endlosen Kreisen gedreht haben, werden langsamer. Das unaufhörliche Grübeln, dieses ständige Rattern im Kopf, verliert an Intensität. Manche Patienten beschreiben es so, als würde ein inneres Rauschen, das sie jahrelang begleitet hat, plötzlich leiser werden.
Es ist nicht so, dass die Sorgen verschwinden – sie sind noch da, aber sie sind weiter weg. Weniger erdrückend, weniger absolut. Manche vergleichen es mit dem Blick auf eine Landschaft aus großer Höhe: Die Probleme, die zuvor wie unüberwindbare Berge wirkten, erscheinen plötzlich kleiner, greifbarer.
Manche Patienten berichten, dass ihre Wahrnehmung sanfter wird, als ob ein Filter zwischen ihnen und der Welt liegt. Die Geräusche um sie herum klingen weicher, das Licht scheint wärmer. Die Realität ist nicht verschwunden, aber sie fühlt sich anders an – weniger scharfkantig, weniger bedrohlich.
Und genau in diesem Moment beginnt für viele eine ganz neue Erfahrung: Sie können ihre Gedanken betrachten, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Sie können ihre Emotionen spüren, ohne von ihnen verschlungen zu werden. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlen sie sich nicht mehr vollständig gefangen in der Dunkelheit.
Für viele Patienten ist dies ein tief bewegender Moment. Nicht, weil Esketamin alles auf einmal löst – sondern weil es für einen kurzen, kostbaren Moment zeigt, dass Veränderung möglich ist. Dass es eine andere Art gibt, sich selbst und die eigene Welt zu erleben. Dass sie nicht für immer in dieser Dunkelheit gefangen sein müssen.
Es ist der erste Riss in der Mauer, die sie so lange umgeben hat. Ein leiser, aber bedeutungsvoller Bruch mit der Hoffnungslosigkeit. Ein erster Schritt hinaus – in eine Welt, die vielleicht doch noch Licht in sich trägt.
Der Bruch mit der Realität – Dissoziation und veränderte Wahrnehmung
Ein häufiges Phänomen während einer Esketamin-Behandlung ist die Dissoziation. Patienten beschreiben dieses Gefühl oft als eine Trennung zwischen sich selbst und ihrer Umgebung, als ob sie „neben sich stehen“ oder sich in einer anderen Bewusstseinsebene befinden.
Für manche ist es ein angenehmes Schweben, ein Gefühl, losgelöst zu sein von der Last des Alltags. Die Realität wird weicher, weniger erdrückend. Geräusche wirken gedämpft, Farben intensiver oder verschwommener, die Zeit fühlt sich gedehnt oder komprimiert an.
Andere empfinden es als eine Art Traumzustand, als würden sie durch ihre Erinnerungen oder Gedankenwelten gleiten, ohne von ihnen gefangen genommen zu werden. Manche erleben sogar, dass sie sich selbst von außen betrachten, als würden sie mit klarem Blick auf ihr Leben schauen können – ohne Angst, ohne die gewohnten Emotionen, die sonst jede Erinnerung färben.
Doch nicht jeder empfindet diese Phase als angenehm. Einige Patienten berichten, dass sie sich zunächst unsicher oder irritiert fühlen. Die veränderte Wahrnehmung kann ungewohnt sein, besonders wenn sie von Ängsten oder traumatischen Erinnerungen begleitet wird. Doch genau dafür ist das medizinische Personal da: um zu beruhigen, zu begleiten und zu erklären, dass dieser Zustand vorübergehend ist.
Emotionale Öffnung – Die Welle der Erleichterung
Ein zentraler Aspekt der Esketamin-Erfahrung ist die emotionale Veränderung, die viele Patienten während und nach der Behandlung durchlaufen. Esketamin wirkt nicht nur auf die biochemische Ebene des Gehirns, sondern scheint auch Türen zu Emotionen zu öffnen, die zuvor verschlossen waren – manchmal über Jahre oder Jahrzehnte hinweg.
Viele Patienten berichten von einem tiefen Gefühl der Erleichterung, als ob eine schwere, unsichtbare Last, die sie seit langer Zeit mit sich getragen haben, auf einmal gelöst wird. Es ist nicht immer ein dramatischer Moment, sondern eher eine sanfte Befreiung. Manche vergleichen es mit dem ersten Atemzug nach langem Tauchen oder dem plötzlichen Aufklaren eines Himmels, der lange von dunklen Wolken verdeckt war.
Es fühlte sich an, als wäre mein Geist endlich wieder mein eigener
, erzählt ein Patient, der jahrelang mit schweren depressiven Episoden gelebt hat.
Nicht unbedingt glücklich, aber leichter. Weniger erdrückend.
Für einige ist es ein Moment der Klarheit, fast wie das Erwachen aus einem Traum. Dinge, die sich zuvor unüberwindbar angefühlt haben, erscheinen auf einmal greifbarer, lösbarer. Die Probleme des Alltags, die vorher wie eine unüberwindbare Mauer wirkten, verlieren ihre absolute Dominanz. Gedanken, die in endlosen, destruktiven Schleifen gefangen waren, scheinen sich zu lösen. Es ist, als ob das Gehirn einen neuen, unbeschrittenen Pfad findet, eine alternative Perspektive, die vorher schlichtweg nicht zugänglich war.
Andere beschreiben es als eine Wiederentdeckung von Emotionen, die sie längst verloren glaubten. Manche berichten, dass sie zum ersten Mal seit Jahren wieder Freude empfinden können – nicht unbedingt als überschwängliche Euphorie, sondern als eine stille, wohlige Wärme, die sich langsam in ihnen ausbreitet. Selbst einfache Dinge, wie das Licht, das durch ein Fenster fällt, oder das Geräusch von Regen auf dem Dach, können sich wieder bedeutsam anfühlen.
Ich konnte plötzlich wieder weinen
, sagt eine Patientin.
Nicht aus Verzweiflung, sondern weil ich das Gefühl hatte, endlich wieder ich selbst zu sein. Als ob all die Emotionen, die so lange unterdrückt waren, endlich ihren Platz fanden.
Für viele ist genau das der größte Unterschied zu anderen Behandlungen: Während klassische Antidepressiva oft das Gefühl hinterlassen, dass Emotionen abgestumpft oder gedämpft werden, ermöglicht Esketamin, sich selbst wieder authentisch zu spüren. Gefühle sind nicht mehr fern oder unerreichbar, sondern zugänglich – und das ohne die übliche Bedrohlichkeit, die mit intensiven Emotionen oft einhergeht.
Doch nicht jeder erlebt Esketamin als einen rein befreienden Moment. Manche Patienten durchleben während der Sitzung intensive, mitunter schmerzhafte Emotionen. Alte Erinnerungen können auftauchen, längst verdrängte Ängste oder tiefsitzende Verletzungen können sich zeigen. Diese Momente sind herausfordernd, aber sie tragen oft auch eine heilende Kraft in sich.
Einige Patienten berichten, dass sie sich während der Sitzung mit ihrer Vergangenheit konfrontiert sahen – jedoch auf eine Weise, die anders war als zuvor.
Ich hatte immer Angst, über bestimmte Dinge nachzudenken, weil es mich zu sehr verletzt hätte
, erzählt ein Betroffener.
Aber während der Esketamin-Erfahrung konnte ich es sehen, ohne dass es mich zerbrach. Es war, als ob ich es endlich aus einer sicheren Entfernung betrachten konnte, ohne wieder in diesen alten Schmerz gezogen zu werden.
Genau hierin liegt eine besondere Chance: Die Möglichkeit, sich belastenden Gefühlen zu stellen, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Esketamin bietet eine Art Schutzraum, in dem die emotionale Verarbeitung sanfter und weniger bedrohlich erfolgen kann. Patienten können ihre Gefühle zulassen, ohne sich in ihnen zu verlieren.
Für viele ist dies der erste Schritt, sich der Depression nicht nur als erdrückender Dunkelheit, sondern als etwas Dynamisches, Veränderbares zu nähern. Ein Moment, in dem nicht nur das Leiden, sondern auch die Möglichkeit einer Heilung spürbar wird.
Nach der Sitzung berichten viele, dass die emotionale Öffnung anhält. Die Welt erscheint nicht mehr ganz so trostlos, nicht mehr ganz so fern. Gedanken, die früher in Dunkelheit versunken sind, haben neue Nuancen, neue Richtungen. Es ist nicht unbedingt so, dass alle Probleme plötzlich gelöst sind – aber sie fühlen sich weniger übermächtig an.
Esketamin wirkt auf eine Weise, die über bloße Symptomlinderung hinausgeht. Es ist nicht einfach nur ein Mittel gegen Depressionen, sondern ein Medikament, das das emotionale Erleben selbst verändert. Für einige ist es der erste echte Hoffnungsschimmer seit langer Zeit – ein Funke, der zeigt, dass es noch Gefühle gibt, dass das Leben wieder spürbar werden kann.
Die Rückkehr in die Normalität – Eine Welt in neuen Farben
Nach etwa 90 Minuten beginnt die Wahrnehmung, sich wieder zu stabilisieren. Der Körper fühlt sich normaler an, die Gedanken werden klarer, die Umgebung kehrt zurück in ihre gewohnte Form.
Doch etwas ist anders.
Für viele Patienten fühlt sich die Welt nach der Sitzung lebendiger an. Geräusche sind klarer, Farben intensiver. Emotionen, die lange wie durch eine Mauer getrennt waren, sind wieder zugänglich – nicht in einer überwältigenden Weise, sondern auf eine natürliche, sanfte Art.
Und dann setzt die eigentliche antidepressive Wirkung ein.
Manche spüren bereits am selben Abend eine Veränderung, andere erst nach einem oder zwei Tagen. Doch fast alle berichten, dass ihre Gedanken weniger bedrückend sind. Die Last ist nicht verschwunden, aber sie fühlt sich tragbarer an.
Fazit – Esketamin als Tür zu einer neuen Perspektive
Esketamin ist mehr als nur ein Medikament. Es ist eine Erfahrung, die für viele Patienten einen Wendepunkt darstellt. Während der Sitzung können sie sich selbst auf eine neue Weise begegnen, Gedanken aus einer anderen Perspektive betrachten und für einen Moment die erdrückende Schwere der Depression hinter sich lassen.
Doch Esketamin ist kein Wundermittel. Es heilt keine tiefen Wunden mit einem einzigen Atemzug. Aber es kann einen ersten Schritt ermöglichen – einen Moment der Erleichterung, in dem das Leben nicht mehr nur aus Dunkelheit besteht.
Für viele ist dieser Moment unbezahlbar. Es ist nicht das Ende der Reise, aber vielleicht der erste echte Hoffnungsschimmer, den sie seit Jahren gespürt haben. Ein Funken Licht, der zeigt: Es gibt einen Weg zurück – und ich bin nicht allein.
Quelle
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