Esketamin wird in Form eines Nasensprays angewendet. Die Patienten nehmen es selbstständig ein, aber niemals ohne medizinische Begleitung. Der gesamte Prozess findet in einer geschützten, klinischen Umgebung statt, damit Ärzte und Pflegekräfte jederzeit eingreifen können, falls Nebenwirkungen auftreten.
Bevor das Medikament verabreicht wird, erfolgt eine gründliche Vorbereitung. Patienten dürfen mehrere Stunden vorher nichts essen oder trinken, um das Risiko von Übelkeit und Erbrechen zu reduzieren. Der Blutdruck wird gemessen, da Esketamin ihn kurzfristig ansteigen lassen kann. Erst wenn die medizinischen Voraussetzungen stimmen, wird die Anwendung eingeleitet.
Das Spray wird unter Anleitung des medizinischen Personals in die Nase gesprüht. Die Dosierung ist individuell und richtet sich nach dem Therapieverlauf. Einige Patienten beginnen mit einer niedrigeren Dosis, die schrittweise gesteigert wird, um die bestmögliche Wirkung zu erzielen.
Nach der Einnahme beginnt die wichtigste Phase: die Überwachung. Patienten bleiben für mindestens zwei Stunden unter ärztlicher Beobachtung. In dieser Zeit können Nebenwirkungen auftreten, darunter Schwindel, Übelkeit, Blutdruckanstieg oder eine veränderte Wahrnehmung. Manche Patienten erleben eine vorübergehende Dissoziation, bei der sie sich für einen Moment von ihrem eigenen Körper oder ihrer Umgebung entfremdet fühlen. Deshalb ist es entscheidend, dass sie in einer sicheren Umgebung sind und von Fachkräften begleitet werden.
Erst nach Ablauf dieser Beobachtungszeit dürfen Patienten die Einrichtung verlassen. Sie dürfen jedoch für den Rest des Tages nicht selbst Auto fahren oder Maschinen bedienen, da die Wirkung von Esketamin noch nachklingen kann.
Dosierung und Dauer der Behandlung
Die Esketamin-Therapie folgt einem festen Schema, das sich in zwei Phasen unterteilt: die Akutphase, in der die Behandlung intensiv ist, und die Erhaltungsphase, in der die Dosierung reduziert wird, um einen langfristigen Effekt zu erzielen.
In der Akutphase, die in der Regel vier Wochen dauert, erhalten Patienten das Medikament in den ersten zwei Wochen zweimal pro Woche. Dies dient dazu, die depressive Symptomatik schnell zu lindern und dem Gehirn die Möglichkeit zu geben, neue synaptische Verbindungen aufzubauen. In den darauffolgenden zwei Wochen wird die Häufigkeit der Sitzungen oft auf einmal pro Woche reduziert.
Nach diesen vier Wochen beginnt die Erhaltungsphase. In dieser Phase wird die Dosis individuell angepasst. Einige Patienten benötigen das Medikament weiterhin wöchentlich, andere können die Einnahme auf alle zwei Wochen oder sogar seltener reduzieren. Ziel ist es, die langfristige Stabilität der Patienten zu gewährleisten und Rückfälle zu verhindern.
Die Entscheidung über die Dauer der Behandlung wird individuell getroffen. Manche Patienten profitieren von einer längerfristigen Therapie, während andere nach einigen Monaten auf eine andere Form der Behandlung umsteigen können.
Sicherheitsmaßnahmen während der Behandlung
Da Esketamin nicht nur das Bewusstsein, sondern auch das vegetative Nervensystem beeinflusst, gibt es klare Sicherheitsvorkehrungen. Die Verabreichung erfolgt ausschließlich unter ärztlicher Aufsicht, um mögliche Komplikationen sofort erkennen und behandeln zu können.
Patienten dürfen Esketamin nicht zu Hause einnehmen. Die veränderte Wahrnehmung und die möglichen Nebenwirkungen machen es notwendig, dass sie nach jeder Behandlung mindestens zwei Stunden in der Klinik bleiben. Erst wenn der behandelnde Arzt sicher ist, dass die Wirkung nachgelassen hat und keine akuten Beschwerden bestehen, dürfen sie nach Hause gehen.
Nach jeder Sitzung ist es verboten, selbst Auto zu fahren oder Maschinen zu bedienen. Die Nachwirkungen von Esketamin können die Reaktionsfähigkeit beeinflussen, weshalb eine Teilnahme am Straßenverkehr oder an gefährlichen Tätigkeiten erst am Folgetag wieder möglich ist.
Regelmäßige ärztliche Kontrollen sind essenziell. Der Blutdruck wird überwacht, mögliche Nebenwirkungen werden dokumentiert, und der individuelle Behandlungsplan wird regelmäßig angepasst. Esketamin ist eine hochwirksame Therapie, aber sie erfordert eine enge medizinische Begleitung.
Esketamin als Teil eines umfassenden Behandlungskonzepts
Esketamin ist keine eigenständige Therapie, sondern immer Teil eines größeren Behandlungskonzepts. Es wird in Kombination mit klassischen Antidepressiva eingesetzt, um eine stabile Wirkung zu erzielen. Häufig werden selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) parallel verabreicht, um den Langzeiteffekt zu unterstützen.
Auch Psychotherapie spielt eine entscheidende Rolle. Esketamin kann helfen, die Symptome schnell zu lindern und dem Gehirn neue Denk- und Gefühlsmuster zu ermöglichen, aber die tiefere, nachhaltige Verarbeitung der Depression erfolgt durch psychotherapeutische Begleitung. Gesprächstherapie, kognitive Verhaltenstherapie und unterstützende Maßnahmen wie Achtsamkeitsübungen oder Bewegungstherapie sind essenzielle Bestandteile einer ganzheitlichen Behandlung.
Fazit: Esketamin als neue Perspektive
Esketamin ist eine revolutionäre Behandlungsoption für Menschen mit therapieresistenter Depression. Es kann in kurzer Zeit eine spürbare Verbesserung bewirken, wo andere Medikamente versagt haben. Doch seine Anwendung erfordert Verantwortung, Kontrolle und ein strukturiertes Behandlungskonzept.
Für viele Patienten ist Esketamin der erste wirkliche Hoffnungsschimmer nach Jahren der Dunkelheit. Es ist ein Medikament, das das Gehirn nicht nur chemisch beeinflusst, sondern auch eine neue Art des Denkens und Fühlens ermöglicht. Mit der richtigen medizinischen Begleitung kann Esketamin nicht nur Symptome lindern, sondern Wege eröffnen – Wege zurück ins Leben, zurück zu einem Gefühl von Normalität und Stabilität.
Quelle
- 2022). Long-term safety of ketamine and esketamine in treatment of depression. Expert Opinion on Drug Safety, 21(6), 777–787. doi:10.1080/14740338.2022.2066651. Verfügbar unter: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35416105/
- (2019). Esketamine for treatment resistant depression. Expert Review of Neurotherapeutics, 19(10), 899–911. doi:10.1080/14737175.2019.1640604. Verfügbar unter: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31282772/
- (2019). Efficacy and Safety of Fixed-Dose Esketamine Nasal Spray Combined With a New Oral Antidepressant in Treatment-Resistant Depression: Results of a Randomized, Double-Blind, Active-Controlled Study (TRANSFORM-1). International Journal of Neuropsychopharmacology, 22(10), 616–630. doi:10.1093/ijnp/pyz039. Verfügbar unter: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31290965/
- (2020). Efficacy and safety of intranasal esketamine for the treatment of major depressive disorder. Expert Opinion on Pharmacotherapy, 21(1), 9–20. doi:10.1080/14656566.2019.1683161. Verfügbar unter: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31663783/
- (2023). Pharmacotherapy: Ketamine and Esketamine. Psychiatric Clinics of North America, 46(2), 277–290. doi:10.1016/j.psc.2023.02.003. Verfügbar unter: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37149345/