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Ein Herzinfarkt verändert vieles – oft von jetzt auf gleich. In der Klinik beginnt die Behandlung, draußen wächst die stille Sorge. Angehörige und Freunde warten, schreiben kurze Nachrichten, halten sich an kleinen Updates fest. Es ist weniger Drama als Ungewissheit: Wie geht es weiter? Was bedeutet das für den Alltag, für Arbeit, Reha, Medikamente? Diese Fragen tragen nicht nur Betroffene, sondern auch die Menschen an ihrer Seite. Sie möchten unterstützen, ohne zu drängen; Zuversicht geben, ohne etwas zu beschönigen. Genau dort beginnt das „zweite Leben“: gemeinsam, vorsichtig, Schritt für Schritt – mit Raum für Erholung, Gedächtnis und Konzentration, für Fatigue und für kleine Fortschritte, die wieder Vertrauen wachsen lassen.

Das Leben nach einem schweren Herzinfarkt – sitzender Mann, Titel und Untertitel rechts im Bild
Wenn das Herz überlebt – muss der Kopf erst nachkommen.

Reha – Struktur für Körper und Kopf

Nach der akuten Lebensgefahr folgt eine Phase, die häufig unterschätzt wird: die Rehabilitation. Sie ist nicht das Anhängsel der Behandlung, sondern der eigentliche Beginn des neuen Alltags. In der Reha finden Herz, Körper und Kopf unter geschützten Bedingungen wieder zueinander – begleitet von einem multiprofessionellen Team und im Austausch mit Menschen, die Vergleichbares erleben.

Medizinische Stabilisierung und behutsamer Belastungsaufbau

Am Anfang steht Sicherheit. Belastungstests zeigen, was dein Herz aktuell leisten kann. Darauf aufbauend erhältst du einen individuellen Plan: kurze Gehstrecken, sanftes Ergometertraining, Atem- und Mobilisationsübungen. Es zählt nicht Tempo, sondern Verlässlichkeit. Mit jedem sicheren Schritt wächst das Vertrauen – und damit die Bereitschaft, wieder aktiver zu werden.

Verstehen reduziert Angst

Wissen ist ein wichtiger Teil der Therapie. Schulungen erklären, warum Medikamente notwendig sind, wie Bewegung das Herz stärkt, welche Signale du ernst nehmen solltest und wie du Blutdruck und Puls sinnvoll kontrollierst. Wenn du verstehst, was dein Körper tut und warum, verliert die Situation an Bedrohlichkeit – du arbeitest mit deinem Herzen, nicht gegen es.

Ernährung, Alltagsenergie und realistische Gewohnheiten

Statt strikter Diäten geht es um alltagstaugliche Grundsätze: viel Gemüse und Hülsenfrüchte, Vollkorn, hochwertige Fette, wenig stark Verarbeitetes, maßvoller Salz- und Zuckerkonsum. Alltagsenergie wird geplant: Tätigkeiten in Etappen, Wege bündeln, mehrere kurze Pausen statt einer langen. So bleibt nach und nach mehr Kraft für Dinge, die dir wichtig sind.

Psychologische Unterstützung – der oft entscheidende Baustein

Angst, Gereiztheit oder Traurigkeit sind nach einem Infarkt häufig. In Einzelsitzungen oder Gruppen lernst du, mit dieser Verletzlichkeit umzugehen: Gefühle benennen, Warnkreisläufe erkennen, hilfreiche Strategien üben (Atmung, Entspannung, Reframing). Der Austausch mit Mitbetroffenen nimmt Schwere – verstanden zu werden, ohne viel erklären zu müssen, entlastet spürbar.

Kognitives Wiederanlaufen

Medikamente, Erschöpfung, Schlafmangel oder der akute Stress können Konzentration und Merkfähigkeit beeinträchtigen. Kurze, gezielte Übungseinheiten (10–15 Minuten) reaktivieren Aufmerksamkeit und Gedächtnis: Merk- und Reaktionsaufgaben, leises Lesen mit Notizen, später Logik- und Sprachübungen. Qualität vor Quantität – abbrechen, wenn der Kopf „rauscht“, ist Teil des Plans.

Der Übergang nach Hause

Die letzten Reha-Tage dienen der Brücke in den Alltag: feste Medikamentenzeiten, kurze Bewegungsblöcke, definierte Ruhefenster, klare Warnzeichen und früh terminierte Kontrollen. Angehörige werden einbezogen, damit Unterstützung gelingt, ohne zu überfordern. Ziel ist ein leises, stabiles Gefühl von Sicherheit: nicht „alles wie früher“, sondern „verlässlich genug, um wieder zu leben“.

Fatigue – die unsichtbare Erschöpfung

Die Müdigkeit nach einem Herzinfarkt ist tief, wechselhaft und nicht durch Schlaf allein zu beheben. Ursachen sind Heilungsprozesse, Medikamente, hormonelle Veränderungen, Schlafprobleme und innere Anspannung. Hilfreich ist ein Rhythmus mit klaren Ruhefenstern, kurzen Aktivitätsblöcken und realistischer Planung. Jede Pause ist Teil der Therapie – nicht ihr Gegenteil.

Kurzzeitgedächtnis und Konzentration – was dahinter steckt und was hilft

Wortfindungsstörungen, Vergesslichkeit, verlangsamtes Denken oder das Gefühl, den Faden zu verlieren, sind nach einem Infarkt häufig. Meist wirken mehrere Faktoren zusammen: akuter körperlicher Stress, Phasen eingeschränkter Durchblutung, Narkosen und Eingriffe, Medikamente, Schlafmangel, Angst und ständige Alarmbereitschaft. Das Gehirn ist nicht „kaputt“, sondern erschöpft und abgelenkt – und es erholt sich in der Regel über Wochen bis Monate.

Kognitives Training wirkt dosiert am besten. Zehn bis fünfzehn Minuten konzentrierter Übung sind oft wirksamer als lange Sitzungen. Starte niedrigschwellig: leises Lesen mit Markierungen, kurze Merkspiele (Wortlisten, Zahlenfolgen), später Kreuzworträtsel oder Logikaufgaben. Steigere langsam – und brich ab, wenn die Gedanken „verrauschen“.

Alltagsroutinen entlasten: feste Plätze für Schlüssel, Geldbörse, Medikamente und Brille; Tablettenboxen mit Tagesfächern; Checklisten an der Tür („Schlüssel – Handy – Medikamente – Tür zu?“). Erinnerungs-Apps und Wecker sind Hilfen wie eine Brille – sie ersetzen, was vorübergehend schwerfällt.

Arbeite mit dem Prinzip „ein Ding zur Zeit“. Multitasking ist in der Erholungsphase ein Konzentrationskiller. Wenn du telefonierst, telefonierst du. Wenn du Mails schreibst, schreibst du Mails. Leiser Raum, Kopfhörer und klare Zeitfenster schaffen Fokus. Starte Aufgaben mit einem kleinen Ritual (Tee, Timer), stoppe bewusst für eine Mikro-Pause und lüfte.

Schlaf ist kognitive Medizin: regelmäßige Zeiten, kühler, dunkler Raum, wenig Bildschirmlicht davor. Unerholtes Aufwachen, lautes Schnarchen oder Atemaussetzer gehören ärztlich abgeklärt – eine unbehandelte Schlafapnoe belastet Herz, Blutdruck und Gedächtnis.

Medikamente können kognitiv dämpfen. Setze nichts eigenständig ab, sprich aber offen über Müdigkeit, Benommenheit oder Konzentrationsprobleme. Oft hilft eine Dosisanpassung oder ein Präparatewechsel.

Beobachte dich freundlich. Drei Zeilen am Abend – was leicht fiel, wo Hilfen nötig waren, was half – machen Fortschritte sichtbar. Setze realistische Mikro-Ziele (heute zwei Übungsblöcke; diese Woche eine Erledigung ohne Zettel). Kleine Erfolge summieren sich.

Angst, Stimmung und innere Ruhe

Angst nach einem Herzinfarkt ist kein Fehlverhalten, sondern eine verständliche Reaktion auf ein existenzielles Ereignis. Sie will schützen: aufmerksam machen auf Signale des Körpers, Tempo rausnehmen, Grenzen wahrnehmen. Problematisch wird sie, wenn sie den Alltag diktiert – wenn jeder Herzstolperer als Bedrohung gelesen wird, wenn Wege gemieden, Pläne abgesagt, der Radius immer kleiner wird. Dann wächst aus Schutz eine Belastung, die Kraft kostet und Heilung bremst.

Hilfreich ist, Angst wieder in ein Verhältnis zu setzen. Wissen schafft Boden: zu verstehen, welche Symptome normal sind, wie Medikamente wirken, warum ein schneller Puls bei Anstrengung erwartet ist. Wer versteht, muss weniger interpretieren. Dazu gehört auch, den Körper kontrolliert zu erleben: kurze, überwachte Belastung in der Reha, später Spaziergänge mit bewusstem Beobachten von Atmung und Puls. Jede gelungene Erfahrung – „ich war draußen, es ging“ – ist ein Gegengewicht gegen Katastrophengedanken.

Atem und Körper können die innere Lautstärke direkt senken. Eine einfache Übung: vier Sekunden ruhig einatmen, sechs bis acht Sekunden ausatmen, das Ganze fünf bis zehn Atemzüge lang; Schultern weich werden lassen, den Bauch bei der Ausatmung leicht sinken spüren. Wer mag, ergänzt eine kurze Muskelentspannung: nacheinander Hände, Schultern, Gesicht, Bauch und Beine sanft anspannen und wieder lösen. Solche „Mini-Reset“-Momente brauchen kaum Zeit, wirken aber zuverlässig, wenn sie mehrmals am Tag geübt werden.

Gedanken wirken: Viele Betroffene kennen den „Was-wäre-wenn“-Strudel. Es hilft, Gedanken zu beobachten statt ihnen zu gehorchen. Ein kleines Protokoll macht den Unterschied: Was war der Auslöser? Was habe ich gedacht? Wie stark war die Angst? Welche alternative, sachliche Deutung ist ebenfalls plausibel? Meist schrumpft die Wucht, wenn eine zweite, freundlichere Perspektive danebensteht. Ebenso wirksam ist „Sorgenzeit“: statt über den Tag verteilt zu grübeln, jeden Nachmittag zehn Minuten gezielt hinsetzen, Sorgen notieren, prüfen, was lösbar ist – und die restliche Zeit wieder dem Leben zuwenden.

Struktur gibt Sicherheit. Feste Zeiten für Aufstehen, Essen, Medikamente, Bewegung und Ruhe entlasten den Kopf. Kurze, planbare Aktivitäten helfen mehr als große Vorhaben, die dann scheitern. Schlafhygiene ist Teil der Therapie: regelmäßige Zubettgehzeiten, kühler, dunkler Raum, möglichst wenig Bildschirmlicht in der letzten Stunde, leichte Abendmahlzeiten, kein später Alkohol. Erholsamer Schlaf macht die Seele belastbarer und den Puls gelassener.

Gespräche tragen. Manche erleben, dass sie „funktionieren“ wollen und ihre Angst wegdrücken. Besser ist, sie leise auszusprechen – mit vertrauten Menschen oder professionell. Psychokardiologische Angebote verbinden Herzerkrankung und Psyche, erklären den Kreislauf aus Körpersignal, Angstinterpretation und Vermeidung und zeigen Auswege: schrittweise Exposition statt Meiden, realistische Zielsetzung, Selbstmitgefühl statt Härte. Kognitive Verhaltenstherapie kann Katastrophenfilme im Kopf stoppen lernen; achtsamkeitsbasierte Verfahren lehren, Empfindungen kommen und gehen zu lassen, ohne ihnen sofort Bedeutung zu geben. Gruppenangebote wirken zusätzlich, weil „ich bin nicht allein“ unmittelbar spürbar ist.

Manchmal braucht es mehr als Gespräche. Wenn Angst und depressive Symptome den Alltag über Wochen einschränken, wenn Schlaf kaum noch gelingt oder Panikattacken häufig sind, kann eine zeitlich begrenzte medikamentöse Unterstützung sinnvoll sein. Wichtig ist die enge Abstimmung mit dem behandelnden Team, damit Herz- und Seelentherapie zusammenpassen und Wechselwirkungen berücksichtigt werden. Medikamente sind kein Zeichen von Schwäche, sondern können ein Geländer sein, bis das innere Gleichgewicht wieder trägt.

Auch Angehörige brauchen Orientierung. Hilfreich ist ein Miteinander ohne Dauer-Sicherheitsfragen und ohne Bagatellisieren. Besser als „Ist alles gut?“ ist „Wollen wir einen kurzen Spaziergang machen und danach zehn Minuten ausruhen?“ – also gemeinsam Tempo dosieren, Erfolge wahrnehmen und Pausen schützen. Vereinbarte „sprechende Zeiten“ für Organisatorisches verhindern, dass sich der ganze Tag um das Thema Krankheit dreht.

Wichtig sind klare Marker, wann ärztliche Hilfe nötig ist: wenn Angst trotz Übung und Struktur stetig zunimmt, wenn über zwei bis vier Wochen eine deutliche Niedergeschlagenheit, Interessenverlust, Antriebslosigkeit, ausgeprägte Reizbarkeit oder Hoffnungslosigkeit bestehen, wenn Panikanfälle sehr häufig werden oder der Schlaf dauerhaft zusammenbricht. Bei akuten Gedanken, sich etwas anzutun, gilt: sofort Hilfe holen – in Deutschland über den Notruf 112 oder die nächstgelegene Krisen- bzw. psychiatrische Ambulanz.

Innere Ruhe nach einem Infarkt ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern die Fähigkeit, mit ihr zu leben, ohne sich von ihr bestimmen zu lassen. Sie wächst langsam, mit jedem strukturierten Tag, jedem bewussten Atemzug, jeder kleinen Erfahrung „es ging“. Und irgendwann ist sie wieder da: nicht als lautes „Alles ist gut“, sondern als verlässliches, leises „Ich kann mich auf mich verlassen“.

Alltag und Arbeit – in Etappen zurück

Nach einem schweren Herzinfarkt beginnt der Alltag nicht einfach dort, wo er aufgehört hat. Der Körper arbeitet noch an seiner Heilung, und auch das Vertrauen in die eigene Belastbarkeit muss erst wieder wachsen. Viele Betroffene erleben die ersten Wochen nach der Reha als eine Art Zwischenwelt: Man fühlt sich nicht mehr krank, aber auch noch nicht gesund. In dieser Phase entscheidet sich, ob der Neustart gelingt – und das gelingt am besten in kleinen, realistischen Etappen.

Struktur statt Druck

Der Tagesrhythmus ist der wichtigste Anker. Feste Zeiten für Aufstehen, Mahlzeiten, Medikamente, Bewegung und Ruhe geben Halt, wenn Körper und Kopf noch unsicher sind. Plane jeden Tag mit Pufferzonen – für Ruhe, für Unvorhergesehenes, für Erschöpfung. So vermeidest du das Gefühl, ständig „hinterher“ zu sein. Es geht nicht darum, sofort wieder „zu funktionieren“, sondern darum, einen neuen, tragfähigen Rhythmus zu finden.

Viele unterschätzen, wie anstrengend einfache Tätigkeiten sein können. Staubsaugen, Duschen, Einkaufen – all das kann anfangs ungewohnt fordernd sein. Deshalb hilft es, Aufgaben zu strukturieren: vormittags die Tätigkeiten mit mehr körperlicher Belastung, nachmittags leichtere Dinge oder Ruhezeiten. Lieber zwei kleine Erfolge am Tag als ein überfordernder Versuch, alles auf einmal zu schaffen.

Haushalt und Familie – gemeinsam planen

Im häuslichen Umfeld ist Geduld gefragt. Partner und Angehörige wollen helfen, wissen aber oft nicht genau, wie. Ein gemeinsamer Wochenplan kann helfen, Verantwortung zu teilen und Belastungen zu verteilen. Schwere Arbeiten wie Putzen oder Einkäufe sollten in den ersten Wochen vermieden oder auf mehrere Tage verteilt werden.
Auch kleine Anpassungen im Alltag entlasten: eine Sitzgelegenheit beim Kochen, kurze Wege durch clevere Anordnung von Utensilien, das Nutzen von Lieferservices oder Nachbarschaftshilfe. Wer Hilfe annimmt, verliert keine Selbstständigkeit – im Gegenteil: Es ist ein Zeichen von Umsicht und Stärke, die eigenen Grenzen anzuerkennen.

Bewegung und Belastung – vorsichtig steigern

Was in der Reha unter Aufsicht begonnen hat, wird zu Hause fortgesetzt. Kurze Spaziergänge, leichtes Dehnen, später moderate Ausdaueraktivitäten wie Radfahren, Schwimmen oder Nordic Walking – alles im Rahmen der ärztlich empfohlenen Belastung. Ein Pulsmesser kann Orientierung geben, wichtiger aber ist das Körpergefühl: Wenn Atemnot, Schwindel, Brustdruck oder ungewöhnliche Müdigkeit auftreten, ist das ein Signal, langsamer zu machen.
Langfristig gilt: Regelmäßigkeit zählt mehr als Intensität. Lieber täglich 20 Minuten Bewegung als einmal wöchentlich Überforderung. Bewegung hilft nicht nur dem Herzen, sondern auch dem Kopf – sie senkt Stresshormone, verbessert Schlaf und hebt die Stimmung.

Der Weg zurück in den Beruf

Die Rückkehr in die Arbeit ist oft der emotional schwierigste Schritt. Viele empfinden Stolz, wieder arbeiten zu können, aber auch Angst, den Anforderungen nicht mehr gewachsen zu sein. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig mit dem Reha-Team und dem Arbeitgeber zu sprechen. Es gibt gestufte Wiedereingliederungsmodelle („Hamburger Modell“), bei denen die Arbeitszeit über mehrere Wochen langsam erhöht wird. So kann sich der Körper an den Berufsalltag anpassen, ohne überfordert zu werden.

Die Reha-Klinik erstellt in der Regel einen ärztlichen Bericht mit Empfehlungen, welche Belastungen zu Beginn angemessen sind. Diese können mit dem Arbeitgeber abgestimmt werden. Idealerweise werden zunächst leichtere Tätigkeiten übernommen, die Konzentration und Routine erfordern, aber nicht zu körperlich oder psychisch belastend sind. Wichtig sind regelmäßige Pausen – auch wenn sie kurz sind. Lieber zehn Minuten bewusstes Durchatmen als stundenlanges Durchhalten.

Offenheit und Grenzen im Beruf

Viele Betroffene stehen vor der Frage: Soll ich über meinen Herzinfarkt sprechen? Grundsätzlich ist es sinnvoll, zumindest den direkten Vorgesetzten oder die Personalabteilung einzuweihen, damit Verständnis für notwendige Pausen oder Einschränkungen vorhanden ist. Niemand muss jedes Detail erzählen – aber wer seine gesundheitlichen Bedürfnisse klar kommuniziert, beugt Missverständnissen vor.
Das bedeutet auch, ehrlich zu sich selbst zu sein: Ein Rückschlag, ein Tag mit Erschöpfung oder Gereiztheit ist kein Versagen, sondern Teil des Heilungsprozesses. Sich zu überfordern, um „zu beweisen, dass alles wieder geht“, ist dagegen riskant – körperlich und seelisch.

Zwischen Rückkehr und Neubeginn

Einige Menschen stellen nach einem Herzinfarkt fest, dass sich ihre Prioritäten verändert haben. Arbeit bleibt wichtig, aber oft in anderer Gewichtung. Der Wunsch nach mehr Sinn, nach Ruhe, nach weniger Stress wächst. Manche entscheiden sich, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder Aufgaben anders zu verteilen. Solche Entscheidungen brauchen Zeit – sie sind Teil des Prozesses, sich neu zu orientieren.

Erfolge anerkennen und Rückschläge einordnen

Der Weg zurück in den Alltag verläuft selten gerade. Es gibt Tage, an denen du dich stark fühlst, und andere, an denen jede Bewegung Mühe kostet. Diese Schwankungen sind normal. Halte fest, was gelingt – vielleicht ein Spaziergang, ein Arbeitstag ohne Pause, ein gelungenes Gespräch. Solche Momente sind Beweise dafür, dass Heilung stattfindet, auch wenn sie langsam verläuft.

Rückschläge gehören dazu: ein Infekt, eine Phase der Müdigkeit, eine depressive Stimmung. Wichtig ist, sie nicht zu dramatisieren. Nimm sie als Zeichen, dass du kurz anhalten musst – nicht als Rückfall, sondern als Erinnerung daran, wie weit du schon gekommen bist.

Geduld als wichtigste Ressource

Nach einem Herzinfarkt gilt mehr denn je: Heilung folgt keinem festen Zeitplan. Jeder Mensch hat sein eigenes Tempo, abhängig von Schwere des Infarkts, körperlicher Verfassung, beruflicher Belastung und seelischer Stabilität. Erwarte keine Perfektion, sondern Fortschritt. Selbst wenn du anfangs weniger leisten kannst als früher – dein Wert und deine Kompetenz bleiben. Sie brauchen nur eine neue Balance.

Der Wiedereinstieg in den Alltag ist keine Prüfung, die bestanden werden muss. Er ist eine Phase des Übergangs, in der du lernst, dich selbst wieder zu spüren – mit Grenzen, aber auch mit wachsender Stärke. Und irgendwann, ganz unauffällig, merkst du: Du bist nicht mehr „in der Reha“, du lebst wieder.

Herzgesunde Gewohnheiten, Warnzeichen und Zuversicht

Gewohnheiten

Nach einem schweren Infarkt tragen viele kleine, verlässliche Schritte weiter als ein großes „Jetzt-alles-anders“-Programm. Orientierung gibt das mediterrane Muster: viel Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte, Vollkorn statt Weißmehl, regelmäßig Nüsse und Olivenöl, ein- bis zweimal pro Woche Fisch, wenig rotes Fleisch und möglichst selten Hochverarbeitetes. Würze mit Kräutern statt mit viel Salz; trink überwiegend Wasser oder ungesüßten Tee. Wenn Herzschwäche im Spiel ist oder du zu Wassereinlagerungen neigst, kläre Trink- und Salzmenge mit dem Behandlungsteam – eine pauschale Vorgabe passt nicht zu jedem.

Bewegung wirkt wie ein zusätzliches Medikament – ohne Nebenwirkungen. Ziel ist Regelmäßigkeit: an den meisten Tagen 20–30 Minuten im „moderaten“ Bereich (du kannst sprechen, aber nicht singen). Was in der Reha begonnen hat, setzt du zu Hause fort: zügiges Gehen, Radfahren, leichtes Schwimmen, später kurze Kräftigungseinheiten für Beine, Rücken und Rumpf. Steigere langsam, plane Pausen ein und beende eine Einheit, wenn Luftnot, Schwindel, Brustdruck oder auffällige Müdigkeit auftreten. In Gesellschaft fällt es leichter – verabrede dich oder nutze Herzsportgruppen.

Rauchstopp bleibt einer der stärksten Hebel. Der Nutzen beginnt am ersten rauchfreien Tag. Unterstützung ist erlaubt und sinnvoll: Nikotinersatz (Pflaster, Kaugummi), telefonische Programme, Apps, Verhaltenstherapie; über verschreibungspflichtige Hilfen (z. B. Vareniclin, Bupropion) sprichst du mit deinem Arzt. Rückfälle sind häufig und kein Scheitern – sie sind Informationen darüber, wann du besonders Unterstützung brauchst.

Blutdruck und Blutzucker verdienen Aufmerksamkeit, ohne dich zu beherrschen. Miss den Blutdruck in Ruhe, morgens und abends, und notiere Werte einige Wochen lang – so erkennt ihr Muster und könnt gemeinsam Zielbereiche festlegen. Bei Diabetes gilt Gleiches für Blutzucker und HbA1c, angepasst an deine Situation. Zahlen sind kein Urteil, sondern Wegweiser.

Medikamente wirken nur, wenn sie zuverlässig eingenommen werden. Verstehe, wofür sie da sind: Plättchenhemmer schützen vor neuen Verschlüssen, Statine stabilisieren Plaques, Betablocker und ACE-Hemmer/ARB entlasten Herz und Gefäße. Wenn Nebenwirkungen auftreten (z. B. Husten, ausgeprägte Müdigkeit, Muskelschmerzen), setze nichts eigenständig ab, sondern melde dich: Oft lässt sich die Dosis anpassen oder es gibt Alternativen. Tablettenboxen, Erinnerungsapps und feste Tageszeiten sind praktische Helfer.

Schlaf, Stress und Alkohol haben spürbaren Einfluss. 7–8 Stunden regelmäßiger Schlaf stärken Herz und Kopf; bei lauten Schnarchen oder unerholtem Schlaf lohnt eine Abklärung auf Schlafapnoe. Entlastend wirken kurze Atempausen am Tag, Achtsamkeits- oder Entspannungsübungen, kleine Inseln ohne Bildschirm. Alkohol am besten reduzieren oder ganz weglassen – besonders in den ersten Monaten nach dem Infarkt. Saisonale Impfungen (z. B. Grippe) besprichst du beim Kontrolltermin – Infektionen belasten das Herz.

Warnzeichen

Brustdruck, Enge oder Schmerzen mit Ausstrahlung in Arm, Schulter, Rücken oder Kiefer; kalter Schweiß, Übelkeit, plötzliche Luftnot, ein neu aufgetretener, deutlicher Leistungseinbruch – das sind Gründe, sofort zu handeln. In Deutschland gilt: 112 anrufen, nicht selbst zur Klinik fahren. Warte nicht „noch kurz ab“, sondern folge den Anweisungen der Leitstelle. Bei zusätzlichen Zeichen eines möglichen Schlaganfalls (plötzliche Lähmung oder Taubheit einer Körperseite, hängender Mundwinkel, Sprach-/Sprechstörung, Sehstörungen, starker „donnerschlagartiger“ Kopfschmerz) gilt dieselbe Dringlichkeit. Herzrasen mit Schwindel oder Ohnmacht, rasch zunehmende Luftnot im Liegen oder angeschwollene Beine sollten zeitnah ärztlich geklärt werden.

Zuversicht

Das zweite Leben nach dem Infarkt ist selten eine Kopie des alten – eher ein Umbau mit Sinn. Fatigue wird lichter, Gedanken werden sortierter, Angst verliert Lautstärke. Struktur, Wissen und Geduld schaffen Verlässlichkeit, und aus vielen kleinen, unspektakulären Tagen entsteht wieder Vertrauen in den eigenen Körper. Miss Erfolg nicht an Perfektion, sondern an Alltagstauglichkeit: heute die Tabletten pünktlich, morgen der Spaziergang, nächste Woche ein ruhiger Arbeitstag. So entsteht der Moment, an dem du merkst: Es geht – nicht makellos, aber stabil genug, um wieder Pläne zu machen. Und das ist oft mehr, als du am Anfang für möglich gehalten hättest.

Quellen, Leitinien & Studien

Herzinfarkt

  • Medical Xpress. (2021, Juni 7). Long-term survival after a heart attack or acute myocardial infarction in Australia and New Zealand. Abgerufen am 09..02.2024, von  medicalxpress.com
  • Epic Heart and Vascular Center. (2023, März 15). What is Average Life Expectancy After Heart Attack By Age? Epic Heart and Vascular. Abgerufen am 09..02.2024, von epicheartandvascular.com
  • CardioSound. (n.d.). Heart attack survivor statistics. Abgerufen am 09..02.2024, von https://cardiosound.com

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