Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd), unter dem Handelsnamen Enhertu bekannt, ist ein zielgerichtetes Medikament zur Behandlung von Patientinnen mit HER2-low Brustkrebs. HER2-low Brustkrebs wurde lange als schwierig behandelbare Form des Brustkrebses betrachtet, da herkömmliche HER2-gerichtete Therapien bei diesen Tumoren kaum Wirkung zeigen. Die Phase-III-Studie DESTINY-Breast04 zeigte jedoch vielversprechende Ergebnisse: T-DXd verlängerte sowohl das progressionsfreie als auch das Gesamtüberleben im Vergleich zur Standard-Chemotherapie signifikant. Basierend auf diesen Studienergebnissen wurde das Medikament 2023 in der EU zugelassen und stellt eine wichtige Ergänzung zu den bisherigen Behandlungsmöglichkeiten für HER2-low Patientinnen dar.
Der fortschrittliche Ansatz von Trastuzumab-Deruxtecan
Trastuzumab-Deruxtecan stellt eine bemerkenswerte Innovation in der modernen Onkologie dar und geht weit über herkömmliche Behandlungsmethoden hinaus. Es gehört zur Klasse der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC) – eine faszinierende Kombination aus präziser Antikörpertherapie und gezielter Chemotherapie. Anders als klassische Chemotherapeutika, die den gesamten Körper belasten und auch gesunde Zellen angreifen können, verfolgt Trastuzumab-Deruxtecan eine gezielte Strategie: Es nutzt den Trastuzumab-Antikörper, um spezifisch die HER2-Proteine auf der Oberfläche von Tumorzellen zu erkennen und sich an sie zu binden. Dies ermöglicht einen hochpräzisen Angriff, der fast ausschließlich auf die Krebszellen abzielt und gesundes Gewebe weitgehend verschont.
HER2 ist ein Protein, das in bestimmten Brustkrebszellen, insbesondere bei HER2-positivem und HER2-low Brustkrebs, in höherer Konzentration vorhanden ist. Trastuzumab, der Antikörper in diesem Konjugat, wurde ursprünglich entwickelt, um genau dieses Protein anzusprechen. Durch die Verbindung von Trastuzumab mit dem Wirkstoff Deruxtecan, einem starken Zytostatikum, kann der Wirkstoff nach der Bindung an das HER2-Protein gezielt in die Krebszellen freigesetzt werden. Hier kommt der therapeutische Kern zum Tragen: Sobald das Medikament in die Tumorzellen eingeschleust ist, setzt es Deruxtecan frei, das direkt die Zellteilung unterbindet und die Tumorzellen von innen heraus zerstört.
Dieser fortschrittliche zweistufige Mechanismus erlaubt eine wirkungsvolle Bekämpfung der Tumorzellen bei gleichzeitig minimaler Belastung für die Patientin. Die Toxizität, die sonst das gesamte Immunsystem und gesunde Körperzellen angreifen würde, bleibt gezielt in den Krebszellen konzentriert, sodass das umliegende Gewebe geschont wird. Dies macht Trastuzumab-Deruxtecan besonders wertvoll für Patientinnen, die von einer intensiven Krebstherapie profitieren können, aber gleichzeitig die Nebenwirkungen der traditionellen Chemotherapie minimieren möchten.
Diese gezielte Therapieform bietet also nicht nur die Aussicht auf eine höhere Wirksamkeit, sondern schenkt Patientinnen mit metastasiertem HER2-low Brustkrebs eine neue Hoffnung auf eine Behandlung, die sowohl das Wachstum des Tumors effektiv bekämpft als auch das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Betroffenen berücksichtigt.
DESTINY-Breast04-Studie: Ein Hoffnungsschimmer für Tausende von Patientinnen
Die Phase-III-Studie DESTINY-Breast04 liefert wegweisende Ergebnisse und weckt neue Hoffnung für Patientinnen mit metastasiertem HER2-low Brustkrebs – einer Patientengruppe, die bisher kaum von den Fortschritten in der HER2-gerichteten Therapie profitieren konnte. Die Studie wurde über einen Zeitraum von zwei Jahren mit einer umfassenden internationalen Beteiligung durchgeführt und widmete sich einer schwierigen Fragestellung: Gibt es eine zielgerichtete Behandlung, die auch HER2-low Brustkrebs effektiv bekämpfen kann?
HER2-low Brustkrebs wird durch eine niedrige Expression des HER2-Proteins charakterisiert, meist gemessen als Immunhistochemie (IHC) 1+ oder 2+ ohne HER2-Amplifikation. Diese geringe Expression versetzte HER2-low Patientinnen bislang in eine Art therapeutisches „Niemandsland“, da herkömmliche HER2-gerichtete Therapien wie Trastuzumab bei ihnen kaum Wirkung zeigten. Stattdessen mussten viele Patientinnen eine Standard-Chemotherapie erhalten, die oft mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden ist und keine spezifische Zielausrichtung bietet.
In der DESTINY-Breast04-Studie wurden insgesamt 557 Patientinnen randomisiert entweder mit Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) oder einer vom Arzt gewählten Standard-Chemotherapie behandelt. Dabei umfasste die T-DXd-Gruppe Patientinnen, deren Tumoren eine niedrige HER2-Expression aufwiesen, und es wurde die Wirksamkeit und Sicherheit dieser zielgerichteten Therapie im Vergleich zur Chemotherapie untersucht.
Die Ergebnisse der Studie sind bemerkenswert und markieren eine bedeutende Entwicklung in der Behandlung dieser spezifischen Brustkrebsart:
- Progressionsfreies Überleben (PFS): Patientinnen, die mit T-DXd behandelt wurden, hatten ein medianes progressionsfreies Überleben von 9,9 Monaten. Im Vergleich dazu lag das PFS in der Chemotherapie-Gruppe nur bei 5,1 Monaten. Diese signifikante Verlängerung bedeutet, dass T-DXd in der Lage war, das Fortschreiten des Tumors wesentlich länger zu verzögern als die bisherige Standardtherapie.
- Gesamtüberleben (OS): Auch beim Gesamtüberleben zeigten sich deutliche Vorteile für die T-DXd-Gruppe, die ein medianes OS von 23,4 Monaten erreichte, im Vergleich zu 16,8 Monaten unter Standard-Chemotherapie. Dies bedeutet, dass die mit T-DXd behandelten Patientinnen im Durchschnitt fast sieben Monate länger lebten als die Patientinnen in der Kontrollgruppe.
Diese Ergebnisse markieren nicht nur einen beeindruckenden Fortschritt, sondern könnten auch als neuer Standard für die Behandlung von HER2-low Brustkrebs etabliert werden. Die Daten zeigen, dass T-DXd sowohl das Fortschreiten des Tumors als auch das Überleben der Patientinnen deutlich verbessern kann. Damit könnte T-DXd eine wertvolle Alternative zur Standard-Chemotherapie bieten, die Patientinnen mit HER2-low Brustkrebs eine gezieltere und potenziell verträglichere Behandlung ermöglicht.
Darüber hinaus unterstreichen die Ergebnisse der DESTINY-Breast04-Studie die Möglichkeit, das Spektrum der HER2-Therapien über die traditionellen HER2-positiven Tumoren hinaus zu erweitern. Da HER2-low Brustkrebs bisher nur begrenzt auf das HER2-Protein als Ziel für therapeutische Interventionen reagierte, eröffnet T-DXd neue Perspektiven für die Nutzung selbst niedriger HER2-Expressionen. Diese Erkenntnis könnte auch für andere Krebsarten mit ähnlichen HER2-low Merkmalen von Bedeutung sein und die Basis für eine Erweiterung der zielgerichteten Krebstherapien bilden.
Die DESTINY-Breast04-Studie zeigt, dass Patientinnen mit HER2-low Brustkrebs nicht länger auf eine unspezifische Behandlung mit Chemotherapie angewiesen sind, sondern durch T-DXd eine gezielte, auf die molekularen Merkmale ihrer Tumoren abgestimmte Option erhalten. Indem T-DXd das Fortschreiten der Erkrankung aufhält und das Überleben verlängert, wird es zu einer neuen und wirkungsvollen Therapieoption für diese Patientinnengruppe.
Warum T-DXd den Standard neu definiert
Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) hat die Behandlungslandschaft für HER2-low-Brustkrebs grundlegend verändert und eröffnet neue Perspektiven, die bislang undenkbar erschienen. Bis zur Einführung von T-DXd war HER2-low Brustkrebs für die onkologische Therapie ein „blinder Fleck“. Diese Tumore weisen eine geringe HER2-Expression auf, die als zu niedrig galt, um von traditionellen HER2-gerichteten Therapien wie Trastuzumab zu profitieren, und fielen daher meist durch das Raster zielgerichteter Behandlungen. Patientinnen mit HER2-low-Tumoren erhielten daher oft nur eine Standard-Chemotherapie, die auf keine spezifischen Tumormerkmale abzielt und mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sein kann. T-DXd zeigt jedoch, dass auch eine geringe HER2-Expression gezielt genutzt werden kann, um das Tumorwachstum zu kontrollieren und die Prognose zu verbessern.
Durch die spezifische Bindung an HER2 und die gezielte Freisetzung des Zytostatikums Deruxtecan ermöglicht T-DXd eine völlig neue Art des „präzisen“ Angriffs. Es nutzt selbst die geringe Menge an HER2-Proteinen auf den Tumorzellen, um das Medikament gezielt in die Zellen einzuschleusen, wo es seine zerstörerische Wirkung entfaltet. Diese gezielte Wirkweise erweitert nicht nur die Optionen für HER2-low-Patientinnen, sondern verändert auch die Art und Weise, wie Mediziner und Forscher das Potenzial niedriger HER2-Expressionen bewerten. HER2 wird nicht mehr als eine rein quantitative Frage betrachtet – also „positiv“ oder „negativ“ – sondern zunehmend als ein Spektrum, auf dem selbst niedrige Ausprägungen therapeutische Möglichkeiten bieten.
Der klinische Erfolg von T-DXd in der DESTINY-Breast04-Studie hat die Definition von HER2-low als „therapeutisch relevant“ etabliert. Anstatt wie früher auf eine hohe HER2-Expression als zwingende Voraussetzung für den Einsatz von HER2-gerichteten Therapien zu bestehen, erkennen Experten nun, dass selbst geringe HER2-Mengen ausreichend sind, um Patientinnen gezielte Vorteile zu verschaffen. Diese Erkenntnis könnte sogar wegweisend für andere Krebsarten sein, in denen HER2-low ebenfalls vorkommt. Dadurch, dass die Behandlungsmöglichkeiten für HER2-low-Brustkrebs nicht mehr ausschließlich auf unspezifische Chemotherapie beschränkt sind, verschiebt sich der Standard in der Therapie zu einer personalisierteren, auf molekularen Merkmalen basierenden Behandlung.
Auch auf lange Sicht wird T-DXd möglicherweise die Standardvorgehensweise in der Brustkrebstherapie prägen. Es eröffnet neue Perspektiven für die Entwicklung von Therapien, die auf geringe Expressionslevel anderer Proteine abzielen und die therapeutische Reichweite gezielter Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs) erheblich erweitern könnten. Die Erkenntnisse aus der T-DXd-Behandlung lassen vermuten, dass auch andere sogenannte „low-positive“ Tumore von ähnlichen gezielten Therapien profitieren könnten. T-DXd legt damit den Grundstein für eine neue Ära, in der selbst geringe molekulare Marker eine große Rolle spielen und eine zielgerichtete, individualisierte Behandlung erhalten.
Die europäische Zulassung: Ein bedeutender Fortschritt
Basierend auf den Ergebnissen der DESTINY-Breast04-Studie wurde Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) im Jahr 2023 in der Europäischen Union zur Behandlung von HER2-low Brustkrebs zugelassen. Diese Zulassung stellt einen wichtigen Fortschritt dar, da Patientinnen mit HER2-low Tumoren nun Zugang zu einer zielgerichteten Therapieoption haben, die speziell für diese Tumorform entwickelt wurde. Ärzte in der EU können ihren Patientinnen nun eine Behandlung anbieten, die das Potenzial besitzt, das progressionsfreie und das Gesamtüberleben im Vergleich zu bisherigen Standardtherapien signifikant zu verlängern und gleichzeitig die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Sicherheitsaspekte und Nebenwirkungen: Ein ausgewogenes Risiko
Wie bei jeder starken Waffe gegen Krebs gibt es auch bei T-DXd potenzielle Risiken, die sorgfältig überwacht werden müssen. Die häufigsten Nebenwirkungen, die in der DESTINY-Breast04-Studie beobachtet wurden, sind Übelkeit, Neutropenie (eine Verringerung der weißen Blutkörperchen) und Anämie. Besonders aufmerksam sollten Patientinnen und Ärzte auf das Risiko einer interstitiellen Lungenerkrankung (ILD) sein. Diese schwere Nebenwirkung, die bei einer kleinen Anzahl der Patientinnen auftrat, erfordert eine kontinuierliche und strenge Überwachung, um sie frühzeitig zu erkennen und schnell zu behandeln.
T-DXd: Ein Blick in die Zukunft der Krebstherapie
Trastuzumab-Deruxtecan hat den Weg für eine neue Generation zielgerichteter Therapien geebnet, die sich möglicherweise nicht nur auf HER2-low Brustkrebs, sondern auch auf andere Krebsarten ausweiten lässt. Wissenschaftler erforschen bereits das Potenzial von T-DXd und ähnlichen Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADC) für verschiedene Tumorarten, darunter Magenkrebs und Lungenkrebs. Mit jeder neuen Studie erweitert sich das Spektrum der Möglichkeiten, die diese Therapien bieten, und immer mehr Patienten können von diesem technologischen Fortschritt profitieren.
Fazit: Ein Durchbruch, der Leben verändert
Trastuzumab-Deruxtecan hat mit seinen beeindruckenden Ergebnissen in der DESTINY-Breast04-Studie und der jüngsten EU-Zulassung eine Revolution in der Krebstherapie eingeläutet. Für Patientinnen mit HER2-low Brustkrebs bedeutet diese neue Behandlung nicht nur längere Überlebenszeiten, sondern auch eine echte Hoffnung auf Lebensqualität und Kontrolle über ihre Krankheit. T-DXd bietet eine Chance, auf die viele Patientinnen und Ärzte lange gewartet haben, und eröffnet neue Perspektiven für eine Zukunft, in der HER2-low keine Sackgasse mehr ist. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieses Medikament weiterentwickelt, aber eines ist sicher: Der Kampf gegen Krebs hat mit Trastuzumab-Deruxtecan eine mächtige Verbündete gewonnen.
Quellen
- Wildiers, H. (2023). DESTINY-Breast04: Results of Trastuzumab Deruxtecan in HER2-low breast cancer. Springer Medizin.
- Mayer, M. (2024). Datopotamab-Deruxtecan: New Hope for Hormone Receptor Positive, HER2-low Breast Cancer. Springer Medizin.
- BioNTech. (2023). Clinical Advances in HER2-low Targeted Therapy: Sacituzumab Govitecan Findings. BioNTech Investor Relations.