Ergebnisse der EXPAND-Studie: Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die das Gehirn und das Rückenmark betrifft. Eine Form dieser Erkrankung, die sekundär progressive MS (SPMS), ist durch eine stetige Verschlechterung der neurologischen Funktion gekennzeichnet, oft ohne klare Rückfälle oder Remissionen. Die Behandlung dieser Form der MS stellt eine besondere Herausforderung dar. Die EXPAND-Studie hat jedoch vielversprechende Ergebnisse gezeigt, insbesondere mit dem Medikament Mayzent (Siponimod).
Wirkmechanismus von Mayzent
Mayzent, der Handelsname für Siponimod, gehört zu einer Klasse von Medikamenten, die als Sphingosin-1-Phosphat (S1P)-Rezeptor-Modulatoren bekannt sind. Diese Medikamente wirken durch die Bindung an spezifische Rezeptoren auf der Oberfläche von Immunzellen. Das zentrale Ziel ist es, die Migration von schädlichen Immunzellen ins zentrale Nervensystem zu verhindern.
Immunzellen, insbesondere Lymphozyten, spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung und Progression von MS. Sie dringen in das zentrale Nervensystem ein und greifen das Myelin an, die schützende Hülle um die Nervenfasern. Dieser Angriff führt zu Entzündungen und der Bildung von Narbengewebe, das die Nervenübertragung stört und eine Vielzahl neurologischer Symptome hervorruft.
Mayzent bindet an den S1P-Rezeptor auf der Oberfläche der Lymphozyten. Durch diese Bindung werden die Lymphozyten im lymphatischen Gewebe zurückgehalten und daran gehindert, ins zentrale Nervensystem zu gelangen. Dies reduziert die Anzahl der Immunzellen, die das Gehirn und das Rückenmark erreichen und dort Entzündungen verursachen könnten.
Darüber hinaus hat Mayzent neuroprotektive Eigenschaften. Es wurde gezeigt, dass das Medikament die neuronale Zellüberlebensfähigkeit verbessert und die Neurodegeneration verlangsamt. Dies ist besonders wichtig bei SPMS, wo die kontinuierliche Verschlechterung der neurologischen Funktion oft ohne klare entzündliche Schübe erfolgt.
Eine weitere wichtige Wirkung von Mayzent ist die Reduktion der Gehirnatrophie, ein Maß für den Verlust von Gehirnvolumen, der häufig bei MS-Patienten auftritt. Indem es die entzündlichen Prozesse und die neurodegenerative Komponente der Krankheit adressiert, kann Mayzent das Fortschreiten der Behinderung verlangsamen und die Lebensqualität der Patienten verbessern.
Ergebnisse der EXPAND-Studie
Die EXPAND-Studie war eine groß angelegte, internationale, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-3-Studie, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Mayzent bei Patienten mit SPMS untersuchte. Diese Studie umfasste 1.651 Teilnehmer aus 31 Ländern und erstreckte sich über mehrere Jahre. Ziel der Studie war es, die Auswirkungen von Mayzent auf die Progression der Behinderung und andere klinische Endpunkte zu bewerten.
Die EXPAND-Studie wurde im Jahr 2013 begonnen und die Ergebnisse wurden 2017 veröffentlicht. Diese umfassende Studie wurde in mehreren hochrangigen medizinischen Fachzeitschriften und auf internationalen Kongressen vorgestellt, darunter The Lancet Neurology und der ECTRIMS-Kongress (European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis). Die Daten zeigten eine signifikante Reduktion des Risikos für eine Behinderungsprogression bei den Patienten, die Mayzent einnahmen, im Vergleich zu denen, die ein Placebo erhielten. Konkret zeigte sich eine Verringerung des Risikos für eine Behinderungsprogression um etwa 21% über einen Zeitraum von drei Monaten. Diese Reduktion wurde durch die Analyse verschiedener Messgrößen bestätigt, einschließlich der Expanded Disability Status Scale (EDSS) und der Timed 25-Foot Walk (T25FW) Test.
Zusätzlich zu den primären Ergebnissen zeigte Mayzent auch positive Effekte auf sekundäre Endpunkte. Es wurde eine signifikante Reduktion der jährlichen Schubrate beobachtet. Darüber hinaus zeigte sich eine Verlangsamung der Hirnatrophie, gemessen durch die Veränderung des Gehirnvolumens über die Zeit. Diese Effekte sind besonders wichtig, da sie darauf hinweisen, dass Mayzent nicht nur die Symptome der SPMS lindern, sondern auch das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen kann.
Nebenwirkungen von Mayzent
Die Sicherheit und Verträglichkeit von Mayzent wurde in der EXPAND-Studie ebenfalls intensiv untersucht. Wie bei vielen Medikamenten, die das Immunsystem modulieren, wurden auch bei Mayzent verschiedene Nebenwirkungen beobachtet. Die häufigsten Nebenwirkungen umfassten Kopfschmerzen, Bluthochdruck und erhöhte Leberenzymwerte. Diese Nebenwirkungen waren meist mild bis moderat und führten selten zum Abbruch der Behandlung.
Kopfschmerzen traten bei einem signifikanten Anteil der Patienten auf, waren jedoch in den meisten Fällen gut behandelbar und vorübergehend. Bluthochdruck war eine weitere häufige Nebenwirkung, die eine regelmäßige Überwachung der Blutdruckwerte erforderte, um sicherzustellen, dass keine schwerwiegenden Komplikationen auftraten. Erhöhte Leberenzymwerte wurden bei einigen Patienten beobachtet, was auf eine mögliche Belastung der Leber hinweist. Daher wird empfohlen, die Leberfunktion regelmäßig zu überwachen, insbesondere zu Beginn der Behandlung.
Weitere weniger häufige Nebenwirkungen umfassten Hautausschläge, Infektionen der oberen Atemwege und Bradykardie (verlangsamter Herzschlag). Diese Nebenwirkungen traten seltener auf und waren in den meisten Fällen mild und vorübergehend. In seltenen Fällen mussten jedoch Anpassungen der Dosierung oder zusätzliche Behandlungen in Betracht gezogen werden, um diese Nebenwirkungen zu managen.
Zulassung
Mayzent wurde von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) im März 2019 zur Behandlung von Patienten mit sekundär progressiver Multipler Sklerose (SPMS) zugelassen. Diese Zulassung basierte auf den positiven Ergebnissen der EXPAND-Studie, die die Wirksamkeit und Sicherheit des Medikaments bestätigten. In Europa wurde Mayzent ebenfalls zugelassen und wird dort unter dem gleichen Handelsnamen vertrieben. In Deutschland ist Mayzent seit Anfang 2020 verfügbar und wird von Neurologen als wichtige Behandlungsoption für Patienten mit SPMS betrachtet.
Fazit
Die EXPAND-Studie hat gezeigt, dass Mayzent eine wirksame Behandlungsoption für Patienten mit sekundär progressiver Multipler Sklerose ist. Durch seinen einzigartigen Wirkmechanismus als Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator kann Mayzent die Entzündung im zentralen Nervensystem reduzieren und das Fortschreiten der Behinderung verlangsamen. Dies stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Behandlung dieser schwerwiegenden Erkrankung dar und bietet neue Hoffnung für viele Patienten und ihre Familien. Die kontinuierliche Forschung und Entwicklung neuer Therapien bleibt von entscheidender Bedeutung, um die Lebensqualität der Betroffenen weiter zu verbessern.
Quellen
- Multiple Sclerosis News Today. Treatment of progressive MS hits milestones in recent years: Study
- Neurology Live. A Medical Preview of 2024 for Multiple Sclerosis and Related Disorders: Jiwon Oh, MD, PhD
- The Lancet Neurology. Clinical trials for progressive multiple sclerosis: progress, new lessons learned, and remaining challenges
- U.S. Food and Drug Administration (FDA). FDA approves new oral drug to treat multiple sclerosis
- European Medicines Agency (EMA). Mayzent
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Warum habe ich mit Multiple Sklerose so oft Tage mit wenig Energie?
Schwankende Energielevel sind für viele Menschen mit Multiple Sklerose eine tägliche Herausforderung, die ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können. Gute Tage, an denen es möglich scheint, den Alltag wie gewohnt zu bewältigen, wechseln sich ab mit Tagen, an denen selbst die kleinsten Aufgaben übermächtig wirken. Dieses ständige Auf und Ab führt zu emotionaler Belastung und kann schnell zu Frustration oder sozialem Rückzug führen. Oft wird davon ausgegangen, dass es sich bei dieser Erschöpfung um Fatigue handelt, jedoch ist das nicht immer der Fall. Doch was genau verursacht diese extreme Erschöpfung, und wie lässt sich der Alltag trotz der Einschränkungen besser gestalten?