Evobrutinib, ein experimenteller Bruton-Tyrosinkinase (BTK)-Inhibitor, wird von Merck KGaA als potenzielle Therapie für verschiedene Formen der Multiplen Sklerose (MS) entwickelt, darunter auch die primär progrediente MS (PPMS). Obwohl Evobrutinib derzeit keinen Handelsnamen hat, wurden mehrere wichtige Studien durchgeführt, die seine Wirksamkeit und Sicherheit untersuchen.
Phase-3-Studien und Ergebnisse
Die EVOLUTION-Studien sind zwei parallele, randomisierte, doppelblinde Phase-3-Studien, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Evobrutinib im Vergleich zu Teriflunomid (Handelsname: Aubagio) bei Patienten mit schubförmiger MS untersuchen. Diese Studien umfassten über 2.200 Teilnehmer, die entweder Evobrutinib 45 mg zweimal täglich oder Teriflunomid 14 mg einmal täglich erhielten. Die Studien dauerten bis zu 156 Wochen, mit einer Mindestbehandlungsdauer von 24 Wochen.
Ziel der Studien war es, festzustellen, ob Evobrutinib die Rückfallrate bei MS-Patienten stärker senken kann als Teriflunomid. Die Ergebnisse zeigten jedoch, dass beide Medikamente ähnliche Rückfallraten aufwiesen, mit einer durchschnittlichen jährlichen Rückfallrate zwischen 0,11 und 0,15 in beiden Behandlungsgruppen. Dies deutet darauf hin, dass Evobrutinib in dieser Hinsicht nicht überlegen ist.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Studien war die Bewertung der Behinderungsprogression. Auch hier zeigten die Ergebnisse keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Behandlungen. Etwa 11,9% der Patienten, die Evobrutinib einnahmen, und 13% derjenigen, die Teriflunomid einnahmen, zeigten eine anhaltende Zunahme der Behinderung gemäß der Expanded Disability Status Scale (EDSS) über mindestens 12 Wochen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Evobrutinib keine überlegene Wirkung auf die Verlangsamung der Behinderungsprogression hat.
Die Sicherheit von Evobrutinib wurde ebenfalls gründlich untersucht. Beide Medikamente hatten ähnliche Sicherheitsprofile, wobei jedoch bei Evobrutinib häufiger erhöhte Leberenzymwerte beobachtet wurden, die auf mögliche Leberschäden hindeuten könnten. Diese erhöhten Werte normalisierten sich jedoch nach Absetzen des Medikaments. Nebenwirkungen führten bei beiden Behandlungsgruppen zu einer ähnlichen Abbruchrate der Studie.
Trotz der enttäuschenden Ergebnisse dieser Phase-3-Studien bleibt Evobrutinib ein wichtiger Forschungskandidat, da die Hemmung des BTK-Proteins ein vielversprechender Ansatz zur Modulation der Immunantwort bei MS ist. Die Forschung in diesem Bereich wird fortgesetzt, um möglicherweise wirksamere BTK-Inhibitoren zu entwickeln.
Wirkungsweise von Evobrutinib
Evobrutinib zielt darauf ab, die entzündlichen Prozesse zu reduzieren, die das Fortschreiten der Multiplen Sklerose (MS) vorantreiben, indem es das Bruton-Tyrosinkinase (BTK)-Protein hemmt. BTK ist ein Schlüsselprotein, das auf verschiedenen Immunzellen wie B-Zellen und Makrophagen vorkommt und eine zentrale Rolle bei der Aktivierung und Funktion dieser Zellen spielt.
Die Hemmung von BTK durch Evobrutinib führt zu einer Verringerung der Aktivität und Proliferation von B-Zellen, die für die Produktion von Antikörpern und Zytokinen verantwortlich sind. Diese Zellen tragen maßgeblich zur Entzündungsreaktion bei, die das Myelin, die Schutzhülle der Nervenzellen, angreift und zerstört. Durch die Reduktion dieser Entzündungsreaktionen soll Evobrutinib helfen, die Schädigung des Nervensystems zu verringern und das Fortschreiten der MS zu verlangsamen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Wirkungsweise von Evobrutinib ist die Modulation der Aktivität von Makrophagen und Mikroglia, den Immunzellen des Zentralnervensystems. Diese Zellen spielen eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung von Entzündungsprozessen und der Schädigung von Nervenzellen. Durch die Hemmung von BTK kann Evobrutinib die schädlichen Aktivitäten dieser Zellen reduzieren und somit die entzündliche Umgebung im Gehirn und Rückenmark verbessern.
In präklinischen und klinischen Studien wurde gezeigt, dass Evobrutinib die Anzahl der neuen und vergrößerten Hirnläsionen reduziert und die Rückfallrate bei MS-Patienten senkt. Diese Effekte sind vielversprechend und unterstützen die weitere Entwicklung von Evobrutinib als potenzielles Therapeutikum für MS und möglicherweise andere Autoimmunerkrankungen.
Weitere Studien und Sicherheit
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Evobrutinib wurden in mehreren Studien gründlich untersucht. Eine Phase-2-Studie zeigte vielversprechende Ergebnisse in Bezug auf die Reduktion der Rückfallrate und der Anzahl aktiver Hirnläsionen. In dieser Studie wurden die Patienten randomisiert und erhielten entweder Placebo oder unterschiedliche Dosen von Evobrutinib (25 mg einmal täglich, 75 mg einmal täglich oder 75 mg zweimal täglich). Die höchste Dosis (75 mg zweimal täglich) zeigte die besten Ergebnisse hinsichtlich der Wirksamkeit und wurde als sicher befunden. Die Studie berichtete, dass 79% der Patienten, die die höchste Dosis von Evobrutinib erhielten, nach 48 Wochen keinen Rückfall hatten. Zudem wurde eine signifikante Reduktion der Anzahl neuer Hirnläsionen festgestellt, die über die gesamte Behandlungsdauer von 48 Wochen anhielt.
Diese Patienten wurden anschließend in eine Verlängerungsstudie aufgenommen, in der alle Teilnehmer Evobrutinib 75 mg zweimal täglich erhielten. Die Verlängerungsstudie zeigte, dass die Patienten eine anhaltende Reduktion der Rückfallrate über einen Zeitraum von bis zu 2,5 Jahren beibehielten. Diese Ergebnisse unterstreichen das Potenzial von Evobrutinib als langfristige Therapie für MS-Patienten.
Die Phase-3-Studien, bekannt als EVOLUTION RMS1 und EVOLUTION RMS2, verglichen die Sicherheit und Wirksamkeit von Evobrutinib mit Teriflunomid (Aubagio). Beide Studien umfassten insgesamt 1.860 Teilnehmer, die entweder Evobrutinib oder Aubagio über einen Zeitraum von 96 Wochen erhielten. Die Studienziele umfassten die Bewertung der jährlichen Rückfallrate, der Behinderungsprogression sowie der Bildung neuer oder vergrößerter Hirnläsionen.
Ein unerwartetes Ergebnis war jedoch, dass in diesen Phase-3-Studien keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit zwischen Evobrutinib und Aubagio festgestellt wurden. Beide Medikamente zeigten ähnliche Rückfallraten und Sicherheitsprofile. Eine erhöhte Leberenzymaktivität, die auf eine mögliche Leberschädigung hinweist, trat bei Evobrutinib häufiger auf, normalisierte sich jedoch nach Absetzen der Medikation.
Die FDA verhängte im Laufe der Studien eine temporäre Einschränkung für neue Patienten aufgrund von Sicherheitsbedenken, die sich aus zwei Fällen von erhöhten Leberenzymwerten ergaben. Diese Fälle waren asymptomatisch und erforderten keine medizinische Intervention; die Leberwerte normalisierten sich nach dem Absetzen von Evobrutinib.
Zukünftige Perspektiven
Obwohl die bisherigen Ergebnisse von Evobrutinib nicht die erhofften Verbesserungen gegenüber bestehenden Therapien wie Aubagio gezeigt haben, setzen Forscher weiterhin auf die Entwicklung von BTK-Inhibitoren. Diese könnten langfristig zur Behandlung von MS beitragen, indem sie spezifische Immunreaktionen modulieren und somit das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen.
Quellen
- Merck Provides Update on Phase III Results for Evobrutinib in Relapsing Multiple Sclerosis. Business Wire.
- ACTRIMS 2024: Evobrutinib not better than Aubagio in Phase 3 trials. Multiple Sclerosis News Today.
- BTK Inhibitor Evobrutinib Fails to Meet Primary End Points in Phase 3 EVOLUTION Trials. NeurologyLive. Zugriff am 28. Juni 2024.
Verwandte Beiträge
++++ Die Scham der eigenen Schwäche ++++
Warum habe ich mit Multiple Sklerose so oft Tage mit wenig Energie?
Schwankende Energielevel sind für viele Menschen mit Multiple Sklerose eine tägliche Herausforderung, die ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können. Gute Tage, an denen es möglich scheint, den Alltag wie gewohnt zu bewältigen, wechseln sich ab mit Tagen, an denen selbst die kleinsten Aufgaben übermächtig wirken. Dieses ständige Auf und Ab führt zu emotionaler Belastung und kann schnell zu Frustration oder sozialem Rückzug führen. Oft wird davon ausgegangen, dass es sich bei dieser Erschöpfung um Fatigue handelt, jedoch ist das nicht immer der Fall. Doch was genau verursacht diese extreme Erschöpfung, und wie lässt sich der Alltag trotz der Einschränkungen besser gestalten?